Schlagwort-Archive: Causa finalis

Drei Beobachtungen zur Künstlichen Intelligenz / 3

Was hat die biologische der künstlichen Intelligenz voraus?

Das Unwahrscheinliche einbeziehen

Neuronale Netze bewerten die Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses. Dies entspricht einem sehr flachen Denkvorgang, denn nicht nur das Wahrscheinliche ist möglich. Gerade eine unwahrscheinliche Wendung kann ganz neue Perspektiven öffnen, im Leben wie im Denken. Das automatische Vorgehen der neuronalen Netze aber ist ein Denkkorsett, das stets das Wahrscheinliche erzwingt.

Detaillierter differenzieren

Neuronale Netze werden umso unpräziser, je mehr Details sie unterscheiden sollen. Schon mit wenigen Resultatmöglichkeiten (Outcomes) sind sie überfordert. Biologische Intelligenz hingegen kann sich je nach Fragestellung in sehr differenzierte Ergebniswelten eindenken, mit einer Vielfalt von Ergebnismöglichkeiten.

Transparenz suchen

Weshalb komme ich im Denken zu einem bestimmten Ergebnis? Wie ist der Denkverlauf? Nur wenn ich mein Denken hinterfragen kann, kann ich es verbessern. Neuronale Netze hingegen können ihre Schlüsse nicht hinterfragen. Sie folgern einfach das, was der Korpus und dessen von aussen erfolgte Bewertung ihnen vorgeben.

Kontext bewusst wählen

Je nach Fragestellung wählt das menschliche Denken einen Kontext mit entsprechenden Musterbeispielen und bereits erkannten Regeln. Diese Auswahl ist aktiv und stellt das bewusste Moment im Denken dar: Worüber denke ich nach?

Die Auswahl des Kontexts entscheidet natürlich auch über die möglichen Outcomes und gültigen Regelmuster. Eine aktive Bewertung und Filterung des Kontexts erbringt die biologischen Intelligenz automatisch, sie liegt jedoch ausserhalb der Möglichkeiten eines neuronalen Netzes.

Zielorientiert denken

Was habe ich für Ziele? Was ist für mich wichtig? Was hat für mich Bedeutung? – Solche Fragen richten mein Denken aus; Aristoteles spricht von der «Causa finalis», dem Wozu, d. h. dem Ziel als Beweggrund. Neuronale Netze kennen kein eigenes Ziel, d. h. dieses steckt stets in der vorgängigen Bewertung des Korpus, die von aussen erfolgt. Das Ziel ist nichts, was das neuronale Netz selbstständig oder im Nachhinein verändern kann. Ein neuronales Netz ist stets und vollständig fremdbestimmt.

Eine biologische Intelligenz hingegen kann sich über ihre Ziele Gedanken machen und das Denken entsprechend verändern und ausrichten. Diese Autonomie über die eigenen Ziele zeichnet die biologische Intelligenz aus und ist ein wesentliches Element des Ideals des freien Menschen.

Fazit in einem Satz

Die künstliche Intelligenz der neuronalen Netze ist hochpotent, aber nur für umschriebene, eng begrenzte Fragestellungen einsetzbar und hat mit wirklicher, d. h. aktiver Intelligenz nichts zu tun.


Dies ist Teil 3 aus dem Nachwort des Buches ‹Wie die künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt›.  –> zum Buch