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Künstliche Intelligenz: Daniel Kehlmann und CTRL

Ist künstliche Intelligenz intelligent? Oder kann sie es werden?

Der bekannte Schriftsteller Daniel Kehlmann («Die Vermessung der Welt») hat letztes Jahr mit einem Sprachalgorithmus (CTRL) in Silicon Valley  zusammen den Versuch unternommen, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Fasziniert und gleichzeitig kritisch berichtet er über dieses aufschlussreiche Experiment.

CTRL

Das Programm CTRL ist ein typisches corpusbasiertes KI-System, d.h. ein System mit einer grossen Datensammlung – dem Corpus – und einem statistisch funktionierenden Auswertungsalgorithmus. Konkret haben die Betreiber den Corpus von CTRL mit Hunderttausenden von Büchern, Zeitungen und Online-Foren gefüttert, wodurch das System auf ein Gedächtnis aus Abermillionen von Sätzen zurückgreifen kann. Die Auswertung dieses Datenschatzes erfolgt aufgrund der Wahrscheinlichkeit: Wenn statistisch auf Wort A das Wort B das wahrscheinlichste ist, bringt das System nach Wort A auch das Wort B. Dank des immensen Corpus kann sich das System darauf verlassen, dass A nach B für uns durchaus eine wohlklingende Fortsetzung des Textes ist. Die schiere Wahrscheinlichkeit ist ist das Prinzip jeder korpusbasierten KI.

Natürlich ist anzunehmen, dass die Betreiber nicht nur die unmittelbaren Nachbarwörter berücksichtigen, sondern die Tiefenschärfe um das Ausgangswort weitreichender einstellen, also mehr Kontext berücksichtigen, doch stets gilt auch bei der Fortschreibung des gemeinsamen Textes durch Kehlmann und CTRL, dass der Algorithmus den bisher geschriebenen Text mit seinem grossen Corpus vergleicht und dann die Fortsetzung basierend auf der Wahrscheinlichkeit in seinem Korpus vorschlägt. Dadurch wird uns die Fortsetzung stets irgendwie vertraut und möglich vorkommen. – Wird sie aber auch sinnvoll sein? Wir kommen hier an die Grenzen jeder corpusbasierten Intelligenz: Das Wahrscheinlichste ist nicht immer das Beste.

Die Grenzen von CTRL

Daniel Kehlmann beschreibt die gemeinsame kreative Welt, die er zusammen mit dem Programm CTRL erkundet hat, gleichzeitig fasziniert und kritisch. Kritisch vermerkt er u.a. folgende Mängel:

a) Abstürze des Algorithmus
Beim Experiment ist es nicht gelungen, eine Kurzgeschichte über eine bestimmte Länge weiterzuschreiben; offenbar war dann der Algorithmus rechnerisch nicht in der Lage, die Informationen der bisherigen Geschichte kohärent mit dem Corpus zusammenzubringen. Sobald die Geschichte über einige Sätze hinausging, stürzte das Programm regelmässig unrettbar ab – Ende der Gesichte.

Meines Erachtens ist das kein KO-Kriterium, denn Abstürze eines neuen Programms sind stets zu erwarten (ich weiss, wovon ich spreche … ). Zudem erwecken solche Abstürze stets den Eindruck, als könnten sie mit noch besserer Hardware und robusteren Algorithmen überwunden werden.

Doch dies ist m.E. hier nicht der Fall. Ich glaube vielmehr, dass diese Abstürze einen grundsätzlichen Schwachpunkt der corpusbasierten KI offenbaren, der auch mit verbesserter Hardware und besseren Auswertungsalgorithmen nicht angegangen werden kann. Der Mangel liegt vielmehr prinzipiell in der wahrscheinlichkeitsbasierten Anlage dieser corpusbasierten Programme. Je mehr Kontext (Tiefenschärfe) sie berücksichtigen müssen, umso grösser muss ihr Corpus werden. Doch der Bedarf an Daten und Rechenpower wächst, wenn es um die Vergrösserung des Kontexts geht, nicht linear, sondern exponentiell. Selbst wenn der riesige Corpus und die immense Rechenpower von CTRL weiter vergrössert werden würden, stösst ein solches Programm systembedingt immer und rasch an seine Grenzen.

Um Sinn und Bedeutung einzufangen, braucht es grundsätzlich andere Methoden, solche, die Bedeutung nicht indirekt aus statistischen Daten ausmitteln, sondern sie direkt repräsentieren und behandeln. Erst dann können die Programme direkt mit Bedeutung umgehen.

b) Zweitverwertung
CTRL kennt nichts Neues, dafür Abermillionen alter Sätze. Dies birgt die Gefahr des «Garbage In, Garbage Out». Wenn Fehler oder Schwächen in den bisherigen Texten vorhanden sind, können sie auch in den Sätzen von CTRL auftauchen. Diese Gefahr ist zwar an sich klein, denn durch die grosse Menge an Sätzen wird es wahrscheinlicher, dass gleiche korrekte Sätze auftauchen als gleiche falsche, und somit wird CTRL sicher nur grammatikalisch, oder mindestens umgangssprachlich korrekte Sätze liefern. Doch trifft dies auch auf den Inhalt zu?

Wenn mehrere Menschen den gleichen Fehler machen, wird er dadurch zwar nicht korrekt, aber für eine corpusbasierte KI wird er so salonfähig. Rechtsextreme Messanger wird CTRL zwar kaum als bevorzugte Quelle benutzen, doch es geht nicht nur darum, gefährlichen Nonsens zu vermeiden. Vielmehr wollen wir spannende neue Geschichten. Wir wollen im CTRL-Projekt Kreativität und neue Ideen. Geht das mit einer Zweitverwertung?

c) Fehlende innere Logik
Die gewünschte Kreativität kann zwar durch Zufall simuliert werden. Wenn zwei für uns unzusammenhängende Informationen in einen direkten Zusammenhang gesetzt werden, sind wir erst einmal überrascht. Wir horchen auf und hören die Geschichte weiter. Aber macht das Zusammengebrachte auch Sinn? Folgt es einer inneren Logik? – Wenn es rein zufällig ist, tut es das nicht, dann fehlt die innere Logik.

Zufall ist nicht Kreativität. Erst wenn ein logischer Zusammenhang zwischen den Zufällen gefunden wird, entsteht eine funktionierende Geschichte. Diese innere Logik fehlt einem corpusbasierten Programm prinzipiell.

Fazit 

Daniel Kehlmann hat seine Erfahrungen präzis und gut nachvollziehbar beschrieben. Er erlebte das Experiment als faszinierend und war oft positiv von den Inputs von CTRL überrascht. Trotzdem stellt er fest, dass CTRL entscheidende Schwächen hat und verweist insbesondere auf den fehlenden narrativen Plan, welcher eine Geschichte zusammenhält.

Für jeden, der sich mit künstlicher Intelligenz vorurteilsfrei beschäftigt hat, ist die Erfahrung Kehlmanns eine lebhafte Bestätigung der eigenen Erfahrungen. Ich habe mich beruflich intensiv mit Computerlinguistik beschäftigt, d.h. mit der Frage, wie Computer natürliche Sätze intelligent interpretieren können. Dabei wird klar: Verständnis von Texten baut auf einem inneren Bezugssystem auf. Über dieses Bezugssystem verfügt jeder menschliche Schriftsteller – aber das KI-System nicht. Das korpusbasierte KI-System kennt nur die Wahrscheinlichkeiten von Signalen (Wörtern), ohne ihre wirkliche Bedeutung zu erfassen. Das ist das Problem.

Dem KI-System fehlt insbesondere Absicht und Bewusstsein. Die Absicht kann zwar durch die Betreiber von aussen vorgegeben werden – z.B. bestimmte Zellen in einem medizinischen Blutausstrich zu erkennen oder möglichst viel Traffic auf einer Suchmaschine zu erzielen – doch ein wirkliches Bewusstsein eines Programms würde ein Nachdenken über die eigene Absicht beinhalten. Eine corpusbasierte Intelligenz aber denkt überhaupt nicht nach – schon gar nicht über die eigene Absicht – sondern rechnet nur aus, was in seinem Datenpool das Wahrscheinlichste ist.

Das Experiment von Daniel Kehlmann ist deshalb lehrreich, weil es konkret, genau und verständlich Programmierern und Nicht-Programmierern die Grenzen der künstlichen Intelligenz aufzeigt.

Kurzfassung des Fazits

KI ist faszinierend und in vielen Anwendungen ausserordentlich nützlich, aber eines ist künstliche Intelligenz mit Sicherheit nicht: auf kreative Weise wirklich intelligent.

Mehr zu Daniel Kehlmanns und CTRL

Die Dur-Tonleiter bringt Spannung in die Resonanzen

Die Dur-Tonleiter

Die Dur-Tonleiter (ionisch) ist in Europa und auch global mit Abstand die weitest verbreitete Tonleiter. Es handelt sich um eine Heptatonik, also um eine Tonleiter mit sieben Tönen. Sie zeichnet sich durch ganz besondere Resonanzverhältnisse aus, die ihre weltweite Wertschätzung gut erklären können.

Unten habe ich die Töne der C-Dur Tonleiter aufgezeichnet, von unten nach oben aufsteigend und jeweils rechts von jedem Ton sein Intervall zum Grundton. Selbstverständlich ist dieses Intervall das, was die Tonleiter ausmacht. Man könnte die Tonleiter auch auf jedem anderen Ton beginnen und nur von den Intervallen (Sekunde, Terz usw.)  sprechen, da es zur Beschreibung der Tonleiter nur auf die Abstände zwischen den Tönen ankommt. Ich verwende hier jedoch die Töne der C-Dur-Tonleiter, einfach weil das anschaulicher ist und Sie das auch leichter am Klavier oder einem anderen Instrument nachvollziehen können.

Das Intervall bezeichnet das Verhältnis der Frequenzen des jeweiligen Tonleitertons zur Frequenz des Grundton. Dieses Intervall liegt bei jeder Tonleiter immer zwischen 1 (Grundton) und 2 (Oktave). Wir geben es in Form eines Bruchs an.

C      2
H      15/8
A      5/3
G      3/2
F      4/3
E      5/4
D      9/8
C      1

Tab. 1: Die C-Dur-Tonleiter

Die Brüche erlauben uns zu erkennen, was das Typische der Dur-Tonleiter ist. Sehr gut lässt sich zeigen, dass das, was wir subjektiv hören (mentale Welt) ganz parallel läuft zu dem läuft, was in der konkreten Materie (physikalische Welt) geschieht und zu dem, was wir mathematisch mit einfachen Brüchen darstellen können (platonische Welt). Erneut stellt heraus, dass die drei Welten (nach Penrose) auf dem Gebiet der Musik perfekt zusammenspielen.

Alle Töne sind resonant zum Grundton

In einem Vorbeitrag habe ich Resonanzkriterien für Tonleitertöne aufgestellt Mit diesen Kriterien erhalten wir 10 Töne, welche jeweils zum Grundton eine starke Resonanz haben. Die Dur-Heptatonik besteht – wie auch die Standard-Pentatoniken – aus einer Auswahl aus diesen zehn am stärksten resonanten Tönen. Somit können wir davon ausgehen, dass die Dur-Tonleiter generell gesehen schon in sich eine starke Resonanz aufweist. Doch nicht jeder Ton ist gleich resonant zum Grundton. Und besonders unter sich sind die Töne sehr unterschiedlich resonant. Hier wird nun die Geschichte interessant. Als erstes schauen wir den Unterschied von der Dur-Heptatonik zur Dur-Pentatonik an.

Die Dur-Heptatonik als Erweiterung der Dur-Pentatonik 

Die Standard-Pentatoniken sind die am stärksten resonanten Tonleitern überhaupt und die resonanteste von ihnen ist die Dur-Pentatonik. Die Dur-Heptatonik kann man als Erweiterung der Dur-Pentatonik sehen. Beide Tonleitern sind Subsets der zehn resonantesten Töne:

Tabelle 2:Vergleich der Dur-Pentatonik mit der Dur-Heptatonik

Die Töne, die die Heptatonik im Vergleich zur Pentatonik neu aufnimmt, erklären den Unterschied. Während die Pentatonik durchgehend resonant ist und alle Töne beliebig gemischt werden können ohne dass Spannungen auftreten, ist das bei der Heptatonik nicht mehr so. Die beiden Töne, die neu dazukommen, das F und das H, bringen die notwendige Spannung hinein, damit die Sache interessant wird.

Als erstes fällt auf, dass mit dem H der Ton dazukommt, der unter den zehn resonantesten Tönen derjenige mit den höchsten Zahlen in Zähler und Nenner ist. Somit ist er von allen zehn resonanten der Ton mit der schlechtesten Resonanz zum Grundton, also der spannungsgeladenste. Dies betrifft das Verhältnis zum Grundton.

Doch auch das Verhältnis der Tonleiter-Töne untereinander spielt in der Tonleiter eine wichtige Rolle. Wir rechnen es aus, indem wir das Frequenzverhältnis des oberen Tons durch dasjenige des unteren teilen (Grund dafür siehe in der Appendix). Die beiden neu in die Heptatonik aufgenommenen Töne, nämlich das F und das H erzeugen nun rechnerisch und hörbar eine Spannung, wie sie in der Pentatonik bisher nicht vorkommt. Wenn wir z.B. das F zusammen mit dem E erklingen lassen, dann ergibt das ein Frequenzverhältnis von 4/3 : 5/4 = 16/15, ein Bruch, der auf eine schwer zu erreichende Resonanz hinweist. Ähnlich ergeht es dem H neben dem oberen C, hier ist das Verhältnis 2 : 15/8 = 16/8 : 15/8  = 16/15. Zwischen dem H und dem C besteht somit das gleiche spannungsgeladene Intervall wie zwischen dem E und dem F. Das Intervall zwischen dem F und dem H ist nochmals heikler, hier ist der Bruch 15/8 : 4/3 = 45/32.

Spannung und Entspannung

Schlechte Resonanz bedeutet Spannung, da die beiden Töne sich nicht so leicht verbinden. Das empfinden wir subjektiv (mentale Welt), wie Sie leicht testen können, indem sie auf einem Klavier gleichzeitig ein E und ein F anschlagen und das Resultat vergleichen mit dem gleichzeitigen Erklingen z.B. von E und G. Das E und das F reiben sich mehr. Die Mathematik der Frequenzverhältnisse wirkt sich physikalisch als kleinere oder grössere Bereitschaft aus, eine Resonanz einzugehen und das hören wir.

Musikalisch ist die Spannung aber nicht uninteressant. Die Dur-Pentatonik ohne F und H erscheint uns zwar ruhig und harmonisch, aber auch ein bisschen langweilig. Die Dur-Heptatonik hingegen enthält kleine Pfefferkörner, welche eine spannende Schärfe hineinbringen, ähnlich wie Peperoncini in den Speisen. Die Schärfe spüren Sie im Mund aber noch lange nach, während in der Musik die Schärfe ganz präzis ein- und ausgeschaltet werden kann, einfach in dem Sie den spannungsreichen Ton durch eine ruhigen, d.h. problemlos resonanten austauschen. Dieses Spiel von Spannung und Entspannung wird in der Musik ausgiebig benützt.

Die Dur-Heptatonik als Subset der zehn resonantesten Töne

Wie in Tabelle 2 dargestellt, ist die Durtonleiter eine Auswahl von sieben Tönen aus der Liste der zehn resonantesten Töne. Diese Auswahl hat es in sich. Ich werde gleich auf die mathematischen Gegebenheiten eingehen, die sich aus ihr ergeben. Vermutlich werden Sie nicht überrascht sein, dass diese mathematischen Gegebenheiten erneut mit unserem Hörerleben parallel gehen. Schauen wir zuerst, welche Töne im Dur fehlen, es sind dies Es, As und B. Wie immer schauen wir die Brüche dieser drei Intervalle an: 6/5, 8/5 und 9/5. Sofort fällt uns auf, dass alle diese Brüche den Nenner 5 haben. Die Töne der Dur-Heptatonik hingegen kennen keinen Nenner 5.

Nenner wegkürzen

Diese Tatsache des fehlenden Nenners 5 erleichtert die Resonanzen innerhalb der Tonleiter. Wenn zwei Töne den gleichen Nenner haben, kürzt sich dieser weg, wenn wir beide Töne gleichzeitig erklingen lassen. Das Intervall der beiden Töne bekommt so schneller eine Resonanz. Wenn hingegen verschiedene Nenner vorhanden sind, wird die Resonanz erschwert. Aber auch unterschiedliche Nenner lassen sich kürzen, wenn sich die beiden Zahlen durcheinander teilen lassen.

Dazu führen wir eine Primzahlzerlegung durch und erkennen z.B, dass in der Dur-Tonleiter die grosse Sept und die grosse Terz untereinander perfekt resonant sind: Wir vergleichen (teilen) die grosse Sept durch die grosse Terz und erhalten: 15/8 : 5/4 = 3/2, also ein perfekt resonantes Intervall, nämlich die Quinte.

Dies ist möglich weil der Nenner 8 und der Nenner 4 bei der Primzahlzerlegung beide zweimal die Primzahl 2 enthalten (8=2x2x2 und 4=2×2). Somit kürzt sich die 2 zweimal weg. Ähnliches geschieht wo immer möglich auch bei den beiden Zählern.

Aus diesem Grund ist es «klug» von der Dur-Tonleiter, dass sie gerade auf alle Töne mit dem Nenner 5 verzichtet. So stört die 5 nie, und Kürzungen sind besser möglich. Und gekürzte Brüche in den Frequenzverhältnissen bedeuten physikalisch und mental eine bessere Resonanz.

Resonanz der Gesamtheit aller Tonleitertöne

Wir können das Kürzungsverhalten der Gesamtheit aller Töne in einer Tonleiter grob abzuschätzen, indem wir das kgV (kleinste gemeinsame Vielfache) aller Nenner ausrechnen, so wie wir das bereits bei den Pentatoniken getan haben. Die Töne der Dur-Heptatonik weisen nun ein fast unschlagbar tiefes kgV von 24 aus, es ist sogar genau das gleiche wie bei der Dur-Pentatonik mit zwei Tönen weniger.

Dieses kleine kgV rührt natürlich ebenfalls daher, dass wir keine Töne mit Nenner 5 aufgenommen haben, sonst müssten wir das kgV mit 5 vervielfachen und kämen auf 120.

Das kgV ist nützlich,  sagt aber nicht alles

Das kgV zeigt aber nicht das ganze Resonanzverhalten der Tonleiter. Es ist nur ein Mass für die Resonanz aller Tonleitertöne zum Grundton, sagt aber nichts aus zu den Resonanzen der Tonleitertöne untereinander. So kommen wir im Beispiel oben für F und H auf ein Frequenzverhältnis von 45/32, d.h. auch wenn die Töne zum Grundton gut resonant sind, können sie unter sich spannungsgeladen sein.

Das ist aber kein Schwachpunkt, sondern macht die Tonleiter im Gegenteil interessant. Die Dur-Heptatonik ist in dieser Hinsicht eindeutig interessanter als die Dur-Pentatonik, obwohl beide das gleiche kgV haben.

Trotzdem ist das kgV aber ein valabler grober Gradmesser für die grundsätzlichen Resonanz-Möglichkeiten in der Tonleiter, denn bei hohem kgV, d.h. wenn sich die Nenner nicht kürzen lassen, sind die Dissonanzen auf jeden Fall schärfer.

Dreiklänge in der Durtonleiter

Wir wenden nun unsere Resonanz-Überlegungen auf drei gleichzeitig erklingende Töne an.  Analysieren wir z.B. den Dreiklang von C, E und G. Die Frequenzen sind (siehe Tabelle 1): 1 – 5/4 – 3/2. Um das Verhältnis aller drei Töne zueinander zu berechnen, müssen wir alle drei auf gleichen Nenner setzen. Genau dafür brauchen wir wieder das kgV, und dieses ist hier 4. Wir bekommen so aus 1 – 5/4 – 4/2  zu einem Verhältnis von 4/4 – 5/4 – 6/4. Den gemeinsamen Nenner 4 können wir gleich wegkürzen und das Verhältnis der Frequenzen von C-E-G ist somit 4 – 5 – 6.

Dies ist das resonanteste Verhältnis, das in einem Ensemble von drei verschiedenen Tönen überhaupt möglich ist. Beim Dreiklang C-E-G handelt es sich um den einfachen und allen wohlbekannten Dur-Dreiklang. Auf dem Klavier ist er durch die Temperierung etwas gestört, aber auch so können Sie leicht selber austesten, wie eingängig dieser Dreiklang ist. Kein Wunder spielt er in der Pop- und Volksmusik eine derart überragende Rolle.

Drei Dur-Dreiklänge in der Dur-Heptatonik

Die Dir-Heptatonik aber enthält den Dur-Dreiklang aber nicht nur einmal, sondern gleich dreimal. Schauen Sie die Töne F – A – C an, in Brüchen 4/3 – 5/3 – 2, oder alle Töne auf den gemeinsamen Nenner 3 gesetzt: 4/3 – 5/3 – 6/3, also wiederum 4 – 5 – 6. Hier sieht man erneut den Nutzen, den gemeinsame Nenner (hier 3) für die Resonanzen darstellen. Die Dur-Heptatonik hat also gut daran getan, den Ton F hineinzunehmen, der einen zweite Dur-Dreiklang ermöglicht.

Aber auch das H ist gut gewählt, denn zum dritten Mal gibt dadurch den Dur-Dreiklang in der Dur-Heptatonik. Wir starten diesmal mit dem G und nehmen das H hinzu. Als drittes nehmen wir das D, dieses eine Oktave höher als gewohnt, also gleich über dem höheren C. Dazu müssen wir (siehe Rechenregeln) das 9/8 des D mit 2 multiplizieren und bekommen 9/4. Dieser Bruch ist grösser als 2, liegt also bereits über der Oktave. Schauen wir jetzt die Töne G – H – D an, die Frequenzen sind: 3/2 – 15/8 – 9/4. Mit dem kgV=8 bekommen wir: 12/8 – 15/8 – 18/8. Wir können nun Zähler und Nenner kürzen und erhalten wieder 4 – 5 – 6, also das gleiche Verhältnis wie oben, d.h. den gleichen perfekt resonanten Dur-Dreiklang wie beginnend mit dem C oder dem F.

Die Dur-Heptatonik enthält somit den Dur-Dreiklang gleich dreimal, denn dreimal lassen sich drei Töne aus der Heptatonik miteinander auf diese höchst resonante Weise verbinden. Bemerkenswert ist aber auch, dass sich die drei Dreiklänge untereinander nicht so gut mischen können. Das ist gut hörbar, die Mathematik entspricht auch hier wieder perfekt dem subjektiven mentalen Erleben (Sorry, ich muss das einfach immer wieder bringen mit den drei Welten, ich bin selber überrascht, wie gut die drei bei den Tonleitern zusammen kommen).

Natürlich wurde die Dur-Tonleiter nicht «erfunden«, schon gar nicht von einem Mathematiker. Die Tonleiter wurde vielmehr gefunden, und zwar von Menschen, die selber aktiv Musik machten und dabei auf die speziell interessanten Resonanzverhältnisse aufmerksam wurden, die sich bei dieser Zusammenstellung von Tönen ergeben.

Es ergeben sich nämlich drei isolierbare Auswahlen von Tönen aus der Dur-Tonleiter, die in sich jeweils gut resonant sind, aber zu den anderen beiden Auswahlen weniger gut harmonieren. Das ergibt drei unterschiedliche Farben oder Harmonien, die in der Tonleiter getrennt abrufbar sind und deren Abfolge in einem Musikstück geplant werden kann und so eine musikalische Geschichte erzählt. Die drei Farben definieren sich durch den jeweiligen Grundton des Dreiklangs, nämlich durch den Tonleiter-Grundton (C), seine Quart (F) und seine Quint (G). Die drei Töne heissen auch Tonika (Grundton), Subdominant (Quart) und Dominante (Quint). Die Möglichkeit, mit solchen Farben zu spielen, geht weit über die Möglichkeiten der Dur-Pentatonik hinaus und wurde in Europa im Verlauf der Jahrhunderte immer mehr perfektioniert.

Moll-Dreiklänge

Auch diese haben ein spezielles Resonanzverhältnis, nämlich 10 – 12 – 15. Die Zahlen sind etwas höher als im Dur-Dreiklang, was den Moll-Dreiklang etwas weniger resonant macht. Doch für drei verschiedene Töne ist das Verhältnis immer noch extrem einfach und somit resonant und Moll-Dreiklänge sind ganz bestimmt keine Dissonanzen.

Beim Moll-Dreiklang kommt mit der Mollterz zum ersten Mal ein Frequenzverhältnis mit Nenner 5 vor, Dur hingegen kennt das nicht und bevorzugt Nenner basierend auf der Primzahl 2. Dadurch ergibt sich eine deutlich andere Farbe. Mit dem Nenner 5 sind wir schon bei der höchsten «erlaubten» Primzahl angelangt, viel höher als mit der 2 und seinen gut teilbaren Vielfachen des Durs. Moll klingt deshalb weicher, spezieller und nicht so strahlend wie Dur.

Die Moll-Dreiklänge finden sich nicht nur in der Moll, sondern auch in der Dur-Heptatonik, einfach basierend auf weniger prominenten Tönen der Tonleiter, konkret auf dem D, dem E und dem A, doch grundsätzlich lassen sich auch in der Dur-Tonleiter Mollfarben erzeugen, wenn auch nur auf Nebentönen.

Fazit

Insgesamt bieten die sieben Töne der Dur-Tonleiter eine fast unerschöpfliche Quelle an Kombinationen. Die Dur-Tonleiter vereinigt ein maximales Mass an Resonanz mit der Möglichkeit, Spannung und verschiedene Farben zu erzeugen. Dies alles lässt sich mit einfachem Bruchrechnen mathematisch einfach nachvollziehen – in vollem Einklang mit dem, was wir subjektiv hören.


Als nächstes werfen wir einen Blick auf den Unterschied zwischen reiner und unreiner Stimmung. Interessanterweise ist es ja gerade die unreine Stimmung, welche die aktuelle Musikkultur prägt, und nicht etwa die reine. Die unreine Stimmung hat gewichtige Vorteile gegenüber der reinen und sie wurde in Europa bewusst gesucht.

Dieses ist besonders interessant, weil es zeigt, wie die reine mathematische Welt in der physikalischen an Grenzen kommt. Diese Tatsache hat zur gleichmässig temperierten Stimmung geführt, einer «unreinen» Stimmung, die aber heute für uns die gewohnte ist – und das aus guten Gründen. Lesen sie deshalb im nächsten Beitrag, wie es dazu gekommen ist.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie.


 

Standard-Pentatoniken

Wie wir im Vorbeitrag gesehen haben, bilden die Töne C – D – E – G – A – C die Standard-Dur-Pentatonik.

Insgesamt lassen sich mit den einfachen Kriterien für resonante Tonleitern noch vier weitere Pentatoniken bilden. Diese fünf Pentatoniken sind die fünf Tonleitern, welche nach unseren mathematischen Kriterien unter allen Tonleitern am leichtesten Resonanzen unter allen ihren Tönen erlauben.

Wir werden später sehen, dass wir mit unserem Pool der neun am stärksten resonanten Töne alle traditionell in Europa gebräuchlichen Tonleitern bilden können. Bei den Heptatoniken, z.B unserem diatonischen Dur, sind jedoch gewisse Töne miteinander schlecht resonant, was musikalisch eigentlich interessanter ist, da dadurch eine natürliche Struktur innerhalb der Tonleitertöne entsteht.

Die Pentatoniken hingegen haben keine «falschen» Töne, wie immer man sie mischt. Es gibt bildlich gesprochen keinen Widerstand, welche Töne man auch zusammen erklingen lässt.

Die fünf Pentatoniken sind:
(auf Basis C)

C –  D  –  E  –  G  –  A  –  C

C –  D  –  F –  G  –  A  –   C

C – Eb – F –  G   – Bb  – C

C – Eb – F –  Ab – Bb  – C

C – D  –  F –  G   – Bb  – C

Die gleichen Töne in Brüchen:
(Grundton = 1)

1 – 9/8 – 5/4 – 3/2 – 5/3 – 2

1 – 9/8 – 4/3 – 3/2 – 5/3 – 2

1 – 6/5 – 4/3 – 3/2 – 9/5 – 2

1 – 6/5 – 4/3 – 8/5 – 9/5 – 2

1 – 9/8 – 4/3 – 3/2 – 9/5 – 2

Für die Kalkulation nehme ich an, dass alle Töne gleichzeitig und innerhalb einer Oktave erklingen, mit dem jeweiligen Grundton als tiefsten Ton. Ich berechne also die Intervalle von jedem Ton zum Grundton. Dann schaue ich die Nenner aller Intervalle an und suche das kleinste gemeinsame Vielfache (kgV) dieser Nenner. Dieses zeigt an, wie leicht zwischen allen Tönen Resonanzen entstehen können:

Tabelle 1: Schwingungsverhältnisse von 5 Standard-Pentatoniken

Wie ist Tabelle 1 zu lesen? 

Ich habe in den verschiedenen Pentatoniken gleiche Intervalle in die gleiche Spalte gegeben. Das führt zu den Löchern in der Tabelle. So hat die Dur-Pentatonik keine Quart und keine Sept. Des Weiteren habe ich Tönen mit dem gleichen Nenner im Bruch die gleiche Farbe gegeben.

Was zeigen die Farben? – Gleiche Nenner bedeuten bekanntlich, dass die beiden Töne besonders resonant sind, weil bei der Berechnung ihres Frequenzverhältnisses die beiden Nenner sich beim Zusammenklingen  sich «wegkürzen». Das führt zu besonders einfachen, d.h. besonders resonanten Verhältnissen zwischen den Tönen gleichen Nenners. Für Sekunden, grosse Terzen und Quinten habe ich drei verschiedene Grüntöne gegeben. Die Nenner sind nicht gleich, basieren aber immer auf der Primzahl 2, sodass mindestens ein Kürzen mit zwei immer möglich ist. Die verschiedenen Grün mischen sich deshalb immer sehr gut.

Mathematisch gesehen: Mit 8 hat die grosse Sekunde den grössten Nenner aller Intervalle im Pool. Doch das ist kein Problem. 8 ist keine Primzahl, sondern 23, genauso wie der Nenner der grosse Terz 4= 22 ist. Wenn wir nun die Quint zusammen mit der grossen Sekunde erklingen lassen, ist das Verhältnis der beiden Töne 3/2 : 9/8 = 3×8 / 2×9 = 4/3, also eine Quart. Die Quart ist das drittresonanteste Intervall, das innerhalb einer Oktave möglich ist, eine grosse Sekunde und eine Quint sind deshalb perfekt resonant. Das Kürzen erweist sich als wirksam.

Weiter zeigen die Farben in Tabelle 1 auch die verschiedenen Formen von Terz und Sext an. So ist die 5/4-Terz die Durterz und die 6/5 Terz die Mollterz.

Bei den Tonleitern geht es um das Intervall des Melodietones zum Grundton, aber auch um das Verhältnis der Melodietöne untereinander. Das kgV ist ein Indikator dafür, wie naheliegend hier Resonanzen sind. Je tiefer das kgV, umso resonanter ist die Gesamttonleiter. Allerdings kann man auch heikle Töne auslassen, bzw. als speziellen Akzent in einer Melodie einsetzen. Bei den Standard-Pentatoniken mit ihren tiefen kgVs ist das zwar kaum möglich.

Wie unterscheiden sich die fünf Pentatoniken?

Dur und Moll

In der sogenannten Funktionsharmonik, einer speziellen, relativ späten, aber bahnbrechenden europäischen Erfindung, spielt die Terz eine wichtige Rolle. Ob Dur oder Moll steht als Frage immer im Raum. Wir gehen an dieser Stelle (noch) nicht auf die Funktionsharmonik ein, können aber unsere fünf Pentatoniken auch unter diesem Terz-Aspekt ansehen. Dabei sehen wir, dass wir eine Dur-Pentatonik (mit Dur-Terz) und zwei Moll-Pentatoniken (mit Moll-Terz) haben.

Die beiden Moll-Pentatoniken unterscheiden sich darin, dass eine keine Quint hat. Obwohl bei beiden das kgV gleich und tief ist, ist das Fehlen der Quint musikalisch (und resonanzmässig) ein grosses Handicap, weshalb die Mollpentatonik ohne Quint kaum gebräuchlich ist. Unsere übliche Moll-Pentatonik ist diejenige mit der Quint.

Wenn Sie Tabelle 1 ansehen, sehen Sie sofort, den Farbunterschied: Die Moll-Pentatonik hat rötlich gefärbte Töne (Nenner 5), die Dur-Pentatonik hingegen nicht. Die jeweilige Terz zieht weitere Intervalle mit dem gleichen Nenner quasi an. Das ist resonanzmässig begründet. Gleiche Nenner sind Garanten für eine starke Resonanz.

Sus

Das Wort «Sus» kommt von «suspended forth», deutsch «hängende Quarte». Woher kommt der Ausdruck? – In der klassischen europäischen Musik, d.h. in der Funktionsharmonik, ist die Terz entscheidend. Ein Akkord, der keine Terz, dafür die Quart enthält, ist «hängend», das heisst, er muss erst noch aufgelöst werden, die Quart wird als Halbton-Vorhalt gesehen und muss sich zur grossen Terz auflösen. In anderen Stilen, im Jazz, aber auch in der moderneren Pop-Musik, ist ein Sus-Akkord ein Akkord wie jeder andere, eine Farbe wie Moll oder Dur. Auch Sus-Tonleitern gibt es, in der Weltmusik wie auch im Jazz. Die Quart (4/3) ist nach Oktave und Quint das am stärksten resonante Intervall.

Wieder gibt es zwei Formen von Sus-Pentatoniken. Das hohe kgV von 120 der einen Pentatonik rührt daher, dass sie sowohl eine Sekunde (Nenner = 9) wie eine kleine Sept (Nenner = 5) enthält. Hier ist kein Kürzen mehr möglich (wie Sie bei der Berechnung des kgVs selber feststellen können). Die Sus-Pentatonik mit der Sext hingegen hat ein anderes Problem: Quart und Sext bilden mit dem oberen Grundton einen Durakkord (4/3 – 5/3 – 6/3 →4-5-6). Dieser Durakkord auf der Quart ist extrem resonant und wird dadurch so dominant, dass die Tonleiter leicht als Dur-Pentatonik missverstanden werden.

Welche Pentatoniken sind gebräuchlich?

Wegen den oben erwähnten Schwächen der einen Moll und der beiden Sus-Pentatoniken sind eigentlich nur die Dur-Pentatonik und die Moll-Pentatonik mit der Quinte gebräuchlich. Diese beiden Pentatoniken aber sind ubiquitär verbreitet und können ganz leicht gesungen werden. Sie können aber auch auf eine wohlklingende Weise mit anderen Tonleitern/Akkorden verbunden werden, was musikalisch besonders interessant ist. Allein klingen sie etwas banal, in Kombinationen aber zeigen sie ihre ganze Stärke. Für Musiker sind sie perfekte Bausteine.

Zur Fortsetzung schauen wir die Durtonleiter an. Wie resonant ist sie?

Hier finden Sie die Übersicht über die Texte zur Drei-Welten-Theorie.

Erste Tonleitern

Können wir mit den bisher postulierten Kriterien bereits Tonleitern konstruieren, die so attraktiv sind, dass sie real vorkommen? Die Kriterien sehen ja auf den ersten Blick eher künstlich und theoretisch aus – können Sie trotzdem dazu dienen, natürlich gewachsene Tonleitern zu erklären?

In der Tat können sie das. Die mathematischen Kriterien für Resonanz haben offensichtlich in den Ohren der Menschen gewirkt und sie über die Jahrtausende immer wieder Musik erfinden lassen, die als Basisgerüst genau die Tonleitern haben, die wir gleich mit unseren Kriterien mathematisch ableiten können.

Pool von resonanten Tönen

Nur mit unseren Resonanzkriterien haben wir einen ersten Pool konstruiert, der diejenigen Töne enthält, bei denen wir die stärkste Resonanz mit dem Grundton erwarten. Ich zähle diese neun potentiellen Tonleitertöne hier nochmals auf:

Grundton                       1/1   = 1
Grosse Sekund           9/8  = 1.125
Kleine Terz                    6/5   = 1.2
Grosse Terz                  5/4   = 1.25
Quart                               4/3   = 1.333
Quint                               3/2   = 1.5
Kleine Sext                   8/5   = 1. 6
Grosse Sext                  5/3    = 1.666
Kleine Sept                   9/5    = 1.8
Grosse Sept                  15/8 = 1.875
Oktave                            2/1    = 2

Natürlich ist dies nur ein Pool von vielen Tönen und keine sinnvolle Tonleiter. Das Problem ist, dass alle diese Töne zwar einfach und schnell mit dem Grundton in Resonanz eintreten können – doch sind sie auch unter sich resonant?

Zwei Tonleitertöne und Grundton

Es geht also nicht nur um die Resonanz eines Tons mit dem Grundton, sondern zusätzlich um die Resonanz mit weiteren Tönen. Dazu gibt es eine mathematische Grundlage: Wir schauen uns das kgV (kleinstes gemeinsames Vielfaches) der beteiligten Nenner an. Wie das geht, und warum das so ist, ist auf der Seite der Rechengrundlagen für die Resonanzen erklärt.

Das kgV (kleinstes gemeinsames Vielfaches) der Nenner

Die Resonanzkriterien sprechen für eine gute Resonanz, wenn das kgV der beteiligten Nenner möglichst klein ist. Der Grundton hat den Nenner 1, deshalb passt er in jedes kgV, er wird also in jede Kombination gut hinein passen. Wie passen nun die Tonleitertöne zusammen?

Beispiel 1

Quart und Quint: Die Nenner sind 3 und 2, das kgV ist 6, also tief. Auch die Zähler sind tief. Als weiteres Indiz für die Resonanz können wir den Abstand zwischen den beiden Tönen berechnen. Der ist 3/2 : 4/3 = 9/8, also eine grosse Sekunde. 8 ist zwar ein relativ grosser Nenner, was die Resonanz mit anderen Tonleitertönen evtl. stört, doch zur sehr wichtigen Oktave passt sowohl die 8 der Sekunde, wie auch die 2 der Quint sehr gut. Zudem haben beide Töne, Quart und Quint unschlagbar kleine Zähler und Nenner, was sich auf die Mischverhältnisse für weitere Tonleitertöne günstig auswirkt.

Mit anderen Worte: Quart und Quint sind ein perfektes Paar für Resonanz. Mathematisch jedenfalls. Klingt das aber auch gut?

Wie klingt die Kombination subjektiv in unserer Wahrnehmung?

Es geht selbstverständlich nicht nur um Mathematik. Die mentale Welt, unsere subjektive Wahrnehmung entscheidet, ob wir eine bestimme Musik mögen und wie wir sie aufnehmen. Wenn Sie den Grundton mit Quart, Quint und Oktave klingen lassen, können Sie hören, was wir berechnet haben, die Resonanz der vier Töne ist ungetrübt. Die Kombination wirkt sogar eher etwas banal und wir vermissen vielleicht den Pfeffer, den in die Musik, die wir gewohnt sind, die Dissonanzen bringen. Ebenfalls fehlt uns die Süsse der Terzen (Nenner 5 und 6).

Beispiel 2

Wir kombinieren rechnerisch die grosse Sekunde mit der kleinen Terz, also 9/8 mit 6/5: Das kgV ist 40, das Intervall zwischen den beiden Tönen ist 6/5 : 9/8 = 48/45 = 16/15. Mit dem grossen kgV und dem engen Abstand ist dieses Paar in Tonleitern etwas heikler – jedenfalls solange wir das Augenmerk auf eine gute Resonanz legen und alle Schärfen in der Musik vermeiden wollen.

Die gefundenen ersten zwei Tonleitern

Wenn Sie nun Lust haben, können sie selber das kgV und den Abstand zwischen allen oben genannten Tonleitertöne ausrechnen und so einen Pool von Tönen zusammenzustellen, bei dem beides optimiert ist und zwischen allen Tönen möglichst viel Resonanz entstehen kann. Natürlich wollen Sie für die Tonleiter auch mehr Töne als nur gerade drei oder vier auswählen. Wie wär es mit fünf?

Die beiden Tonleitern mit den stärksten Resonanzen, die sich so finden lassen, sind bemerkenswert – es sind nämlich beides sehr bekannte Tonleitern:

1 – 9/8 – 5/4 – 3/2 – 5/3 – 2

1 – 6/5 – 4/3 – 3/2 – 9/5 – 2

Oder mit dem Grundton C:

C – D – E – G – A – C

C – Es – F – G – Bb – C

Pentatoniken

Es handelt sich um zwei Pentatoniken, also um zwei Tonleitern mit fünf Tönen (Das C kommt doppelt, zählt aber nur einmal). Nicht ganz überraschend ist, dass die beiden Tonleitern gute alte Bekannte sind – es handelt sich um nichts anderes als die Dur- und die Mollpentatonik.

Und auch nicht ganz überraschend: Diese beiden Tonleitern kommen global in praktisch allen Kulturen vor, im Regenwald wie in allen Hochkulturen, entweder in Reinform oder dann als das Basisgerüst von anspruchsvolleren Tonleitern.

Theoretische mathematische Überlegungen haben uns dazu geführt, diese beiden Tonleitern zu postulieren, die nicht nur weltweit bekannt, sondern für alle Menschen, kleine Kinder inklusive, schnell verständlich und sehr eingängig sind.

Das ist m.E. kein Zufall. Es sieht so aus, als ob die bisherigen Überlegungen gut mit der beobachteten Realität kompatibel seien.


In der Fortsetzung finden Sie eine Resonanz-Analyse der fünf Standardpentatoniken.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie-Theorie.

Rechnen mit Frequenzen und Intervallen

Auf dieser Seite erkläre ich einige Regeln, die gelten, wenn wir mit Intervallen und ihren Frequenzen rechnen.

Intervalle sind Brüche

Ein Intervall geht von einem tieferen zu einem höheren Ton. Der Bruch des Intervalls rechnet sich, indem die Frequenz des höheren durch die Frequenz des tieferen Tons geteilt wird, z.B.

E  =  330 Hz
A  =  440 Hz

440/330 = 4/3. Das ist eine Quart. Das Intervall der Quart ist immer 4/3, der höhere Ton ist in der Quart genau 4/3 mal so schnell wie der tiefere.

Dabei kommt es nur auf die relativen Werte an, nicht auf die absoluten. Ob ich die Quart beim E beginne (E-A) oder beim C (C-F) ist egal, das relative Frequenzverhältnis ist immer 4/3. Mit anderen Worten, Intervalle sind immer relativ.

Der exponentielle Verlauf der Frequenzen

Wenn wir Intervalle miteinander vergleichen, gibt es eine entscheidende Besonderheit: Der Frequenzverlauf ist exponentiell.

Abb 1: Der Frequenzverlauf ist exponentiell

In Abb. 1 sehen Sie die Frequenzen von verschiedenen A Tönen, vom grossen A bis zum zweigestrichenen a". Auf der Klaviertastatur sieht es so aus, als wären die Abstände zwischen allen vier A’s die gleichen, doch wenn wir die Frequenzen anschauen, ist werden die Abstände immer grösser. Mit anderen Worten: Die Frequenzen steigen schneller an als die Intervalle. Mathematisch gesehen verlaufen die Intervalle linear, während die Frequenzen exponentiell verlaufen. Das hat nun einige Konsequenzen für das Rechnen mit den Intervallen.

Intervalle addieren

Wenn wir zwei Intervalle addieren, dann ist das bezüglich der Frequenzen eine Multiplikation. So hat der Ton (gross) A die Frequenz 110 Hz. Wenn wir eine Oktave höher gehen, so hat das (kleine) a eine Oktave höher die doppelte Frequenz, nämlich 220 Hz. Der Abstand zwischen 110 Hz und 220 Hz ist 110 Hz. Doch diese 110 Hz sind nur dann eine Oktave, wenn wir vom grossen A ausgehen. Wenn wir vom kleinen a jetzt wieder eine Oktave hochgehen, dürfen wir nicht die 110 Hz der tieferen Oktave dazuzählen (was 330 Hz gäbe), sondern wir müssen 220 Hz dazugeben und gelangen so von 220 Hz auf 440 Hz.

Unsere spontane Vorstellung, dass eine Oktave einem Wert in Hz entspricht, ist nicht zutreffend. Die Oktave bedeutet, dass die tiefere Frequenz mit 2 multipliziert wird (mit 2 weil die Oktave immer verdoppelt). Aus der Addition der Intervalle wird also eine Multiplikation. Dieser Wechsel der Rechenoperation ist auf den ersten Blick verwirrlich, doch wenn man es weiss, ist die Sache nicht so schwierig. Wir prägen uns deshalb ein:

Addition (von Intervallen) wird zur Multiplikation (von Frequenzen)

Intervalle subtrahieren 

Nicht überraschen ist es bei der Subtraktion ganz analog. Aus der Subtraktion wird eine Division.

Beispiel

Wir suchen den Abstand zwischen einer grossen Terz und der darüberliegenden Quinte. Unser Musikwissen sagt uns, dass der Abstand zwischen den beiden Intervallen eine kleine Terz ist. Können wir das auch ausrechnen?

Bei diesem Vergleich ziehen wir von der Quint die grosse Terz ab. Aber statt abzuziehen, dividieren wir:

Quinte            = 3/2
Grosse Terz = 5/4

Quinte – grosse Terz →3/2 : 5/4 = 3×4 / 2×5 = 12/10 = 6/5

6/5 ist bekanntlich die kleine Terz. Diese Methode funktioniert immer, für alle Intervalle:

Wir können zur Kontrolle die beiden Terzen wieder addieren und erhalten – selbstverständlich durch eine Multiplikation:

5/4 x 6/5 = 30 / 20 = 3/2

Die grosse und die kleine Terz ergeben auf diese Weise wieder die Quinte (3/2).

Der Vorteil: Wir können kürzen!

Die Verschiebung von Addition und Subtraktion zu Multiplikation und Division hat in Brüchen den Vorteil, dass man wie in den oben stehenden Beispielen oft kürzen kann.

Das hat direkten Einfluss auf die Resonanzen: Immer dann, wenn man kürzen kann, werden die Zahlen in den Brüchen kleiner – und kleine Zähler und Nenner in den Brüchen sind ein Vorteil für eine Resonanz. Dies erklärt auch, weshalb wir in den Intervallen lieber keine höheren Primzahlen als 5 haben. Nicht-Primzahlen wie 6, 8, 9, 10 ff. hingegen lassen sich kürzen, weshalb wir durchaus eine grosse Sekunde (9/8) in den Tonleitern finden, hingegen kein Intervall mit dem Bruch 7/4 oder 8/7.

Tonleitertöne aufeinander beziehen

Wenn wir zwei Töne innerhalb einer Tonleiter vergleichen, um zu entscheiden, ob zwischen ihnen eine Resonanz besteht, beziehen wir sie stets auf den gemeinsamen Grundton. Das hat ganz wesentlich mit dem Charakter von Tonleitern (und Akkorden) zu tun. Auf diesem Grundton (der Tonalität) baut die ganze Tonleiter, bzw. der Akkord auf.

Da die Intervalle stets relativ sind, kommt es nicht auf die absolute Höhe des Tons, d.h. nicht auf die absoluten Frequenzen darauf an. Wir setzen deshalb den

Grundton = 1

Alle anderen Töne geben wir als Intervalle zum Grundton an.

Abstand zwischen zwei Tonleitertönen

Wie verhalten sich z.B. die Quart und die Quint? Die Quart ist 4/3 über dem Grundton, die Quint 3/2. Wenn wir diese beiden Töne vergleichen wollen, können wir den Abstand zwischen ihnen berechnen. Der Abstand ist eine Subtraktion und eine Subtraktion ist bei Frequenzen eine Division. Wir rechne den höheren durch den tieferen Ton und erhalten: 3/2 : 4/3 = 9/8.

9/8 ist eine grosse Sekunde, der Abstand zwischen der Quart und der Quinte ist eine grosse Sekunde.

Resonanz zwischen dem Grundton und zwei Tonleitertönen

Wenn wir zwei Tonleitertöne anschauen, dann haben diese stets den Grundton «im Hinterkopf», bzw. im Fundament. Der Grundton bestimmt die Tonalität, und die Tonalität setzt die relative Tonleiter auf eine absolute Basis.

Wie aber mischen sich die drei Töne – Grundton, Quart und Quinte?

Damit Resonanz entsteht, müssen alle drei Töne auf einer gemeinsame Basis stehen, oder mathematisch ausgedrückt, es braucht so etwas wie eine gemeinsame Zählzeit für alle drei Frequenzen – also für den Grundton (1), die Quart (4/3) und die Quint (3/2).

Dazu suchen wir den kleinsten Nenner, der für alle drei Zahlen aufgeht. Im Beispiel ist es der Nenner 6:

Grundton 1 = 6/6
Quarte  4/3 = 8/6
Quinte  3/2 = 9/6

Dieser gemeinsame Nenner ist immer das kgV, das kleinste gemeinsame Vielfache aller beteiligten individuellen Nenner.

Ein weiteres Beispiel:

Grundton          1 = 15/15
kleine Terz   6/5 = 18/15
grosse Sext  5/3 = 25/15

Das kgV von 1, 5 und 3 ist 15.

Was bedeutet nun dieser gemeinsame Nenner von mehreren Tönen?

Ich stelle die Hypothese auf, dass eine Resonanz sich umso leichter einstellt, je kleiner dieser gemeinsame Nenner ist. Für unsere Resonanzüberlegung gilt auf Basis dieser Hypothese folgendes:

Töne, die einen tiefen gemeinsamen Nenner haben, mischen sich leicht.

Je höher der gemeinsame Nenner ist, umso kleiner ist die interne Resonanz der Töne. 

Über die Konsequenzen dieser Schlüsse berichte ich in den Texten über konkrete Tonleitern und Akkorde.


Hier finden Sie die Übersicht über die Texte zur Drei-Welten-Theorie.

Kriterien für attraktive Tonleitern (Übersicht)

Worum geht es?

Nach der 3-Welten-Theorie spielt die Mathematik (ideale Welt) bei physikalischen Prozessen (physikalische Welt) eine Rolle. Ohne unser subjektives Empfinden (mentale Welt) würden wir aber von all dem nichts mitbekommen. Wie diese drei sehr unterschiedlichen Welten in der Realität zusammenkommen, untersuche ich am Beispiel der Tonleitern. Hier gibt es einige Rätsel, z.B. weshalb die menschlichen Kulturen tausende von verschiedenen Tonleitern hervorgebracht haben, aber jede davon die Oktave verwendet.

Diese Konstanz der Oktave kann einfach durch Resonanz erklärt werden, die im Fall der Oktave besonders auffällig ist, weil sie einem mathematischen Verhältnis 2:1 entspricht. Der höhere Ton der Oktave schwingt mit doppelter Frequenz im Vergleich zum Grundton. Ein augenfälliges Beispiel dafür, wie Physik, Mathematik und subjektives Empfinden zusammenkommen.

Im Vorbeitrag habe ich untersucht, ob wir mit rein mathematischen Überlegungen weitere Intervalle finden können, die in realen Tonleitern vorkommen. Dabei finden wir mit wenigen mathematischen Kriterien einen ersten Pool von Intervallen, die sehr «resonanzaffin» sind, d.h. Tonleiter-Ton und Grundton stehen in einem Frequenzverhältnis, das sehr leicht zu einer kräftigen Resonanz führt.


Kriterien für Tonleitertöne

1. Tonbereich

Alle mit bekannten Tonleitern bewegen sich im Bereich einer Oktave. Das ist schon verblüffend und wir haben gesehen, dass alle drei Welten am Zustandekommen beteiligt sind.
Entscheidend für die Tonleitertöne sind ihre Frequenzen (f). Dabei kommt es nicht auf die absolute Höhe der Frequenz an, sondern nur auf die relative im Vergleich zu anderen Tönen. In der Folge bezeichnet die 1 den Grundton und die 2 die Oktave davon. Alle Tonleitertöne müssen sich zwischen dem Grundton und der Oktave befinden, mathematisch gesehen bedeutet das für die relative Frequenz f(TL) des Tonleitertons bezogen auf den Grundton:

1 ≤ f(TL 2

2. Resonanz

Die physikalische Bedingung für Resonanz ist, dass zwei Frequenzen in einem «rationalen» Verhältnis stehen. «Rational» bedeutet in der Zahlentheorie eine Zahl, die als Bruch von zwei ganzen Zahlen geschrieben werden kann. Mit anderen Worten: f2 = m/n f(m und n sind ganze Zahlen, f1 und f2 sind die beiden Frequenzen). Wir stellen nun die Hypothese auf, dass ein Tonleiterton (TL) zum Grundton (GT) vorteilhafterweise in einem Verhältnis (m/n) stehen, in dem sich eine Resonanz entwickeln kann. Mathematisch heisst das:

f(TL) = m/n f(GT)

Diese Bedingung hat mit der physikalischen und der mathematischen Welt zu tun und ist unabhängig von unserem subjektiven und kulturellen Empfinden eine generell gültige physikalische Bedingung für Resonanz, auch im nicht-akustischen Bereich.

Wenn das Rechnen mit Intervall-Brüchen für Sie neu ist, empfehle ich Ihnen die Adnexe, in denen die Rechenvorgänge und ihre Hintergründe detailliert beschrieben sind.

3. Kräftige Resonanz

Eine Resonanz entsteht nicht immer gleich schnell und gleich kräftig. Einige Tonleitertöne können deshalb schneller und kräftiger eine Resonanz entwickeln als andere. Ich stelle die Hypothese auf, dass die Resonanz umso stärker ist, je kleiner m und n sind und habe, ausgehend von der Zahl 1, untersucht, was für Intervalle wir mit möglichst kleinen Werten für m und n erhalten.

Überraschenderweise zeigt es sich, dass alle kleinen Nenner bis 5 nur Tonleitertöne ergeben, die wir in unseren traditionellen europäischen Tonleitern finden. Bei der Suche wird auch sichtbar, dass es nicht allein auf die absolute Höhe von m und n ankommt, sondern vielmehr auf die Primzahlen, die bei der Primzahlzerlegung von m und n entstehen. Hier zeigt sich erneut, dass 5 bei den Primzahlen auch für den Zähler die Grenze ist. In diesem Sinn sind 6, 8 und 9 als Nicht-Primzahlen zerlegbar (6=2×3, 8=2x2x2 und 9=3×3) und für Resonanzen brauchbar. Die 7 aber kann als Primzahl nicht weiter zerlegt werden und ist deshalb für m und n in der Praxis bereits zu hoch.

m und n
 sollen möglichst klein sein, präziser:

Bei der Primzahlzerlegung von m und n soll 5 die höchste Primzahl sein.

Weshalb die Primzahlzerlegung? – Der Tonleiterton steht nicht allein da, d.h. er soll nicht nur eine Resonanz zum Grundton haben, sondern auch zu anderen Tonleitertönen. Dabei entstehen zusammengesetzte Resonanzen (Brüche), bei denen oft in Zähler und Nenner gekürzt werden kann. Dadurch wird aus einer 8 schnell eine 4, aus der 15 eine 3 und wir haben wieder sehr kleine m und n. Beispiele werden folgen.

4. Weitere Kriterien
Die Resonanz ist nicht die einzige Bedingung für attraktive Tonleitern. Musiker und Zuhörer müssen die Töne ja auch unterscheiden können. Das ist einfacher, wenn es nicht zu viele Töne sind und wenn sie nicht zu nahe beieinanderliegen. Dies sind keine mathematischen Bedingungen, sie haben auch nichts mit der Resonanz zu tun. Der Ursprung dieser Forderung an die Tonleiter hat mit unserer Rezeption zu tun, also mit dem was wir wahrnehmen können – also unserer mentalen Welt. Unsere Wahrnehmung stützt sich dabei auf die Physik unseres Innenohrs und die Physik unseres Gehirns. Es handelt bei diesen Kriterien also um eine Forderung aus der mentalen Welt, gestützt auf die physikalische. An der Entstehung der vielen tausend verschiedenen Tonleitern sind offensichtlich alle drei Welten beteiligt. Nicht resonanzbedingten Kriterien sind:

4a)  Die Anzahl der Tonleitertöne darf nicht zu hoch sein.

4b) Die Tonleitertöne dürfen nicht zu nahe beieinander liegen.

Weder die Anzahl der Töne, noch ihr Minimalabstand sind in jeder Kultur gleich. In der Musik gibt es neben der Resonanz weitere Prinzipien, nämlich das der Interferenz und das Höher/Tiefer-Prinzip. Wenn Töne sehr nahe beieinanderliegen, können bei entsprechender Schulung durch die erlebte Kultur gerade sehr engliegende Töne interessant werden. Allerdings geschieht dies nicht über den gesamten Oktav-Umfang der Tonleiter. Denn wenn die Töne sehr nahe beieinanderliegen, darf die Gesamtzahl der Töne in der Leiter trotzdem nicht überhand nehmen. Zwischen anderen Tönen muss dann der Abstand auch wieder einmal grösser sein. Ein Tonleiter mit Vierteltönen über die ganze Oktave ist denkbar, wird sich in der Praxis aber kaum durchsetzen.

Neben den Interferenzen und dem Höher-Tiefer-Prinzip gibt es ein weiteres Prinzip, das Abwechslungs-Prinzip. Dieses ist weder mathematisch noch physikalisch, sondern nur mental begründbar. Wenn nämlich alles gleich ist, z.B. die Abstände in der Tonleiter, dann wird es langweilig. Deshalb empfinden wir z.B. die Ganzton-Tonleiter, welche aus lauter gleichen Intervallen besteht, als nicht besonders spannend. Die gleiche Ganzton-Tonleiter kann aber in einer Mischung mit anderen, variantenreicheren Leitern gerade einen interessanten Kontrast setzen. Musikstücke hingegen, die nur Ganzton-Tonleitern verwenden würden, wären nicht lange interessant.

Wir haben somit ein weiteres nicht-resonanzbedingtes Kriterium:

4c) Die Abstände in der Tonleiter sollen nicht alle gleich sein.

Grundton-Prinzip: Der Grundton ist der Ton, der die Tonleiter zusammenhält. Beim Abschnitt über die Kirchentonarten werden wir näher darauf eingehen. Als Folge des Grundton-Prinzips werden wir die Tonleitertöne stets auf den Grundton beziehen.

4d) Wir vergleichen alle Tonleitertöne über den Grundton.


Mit diesen Bedingungen werden wir unseren Pool von Intervallen aus dem Vorbeitrag sichten und erste Tonleitern herausfiltern. Nicht überraschend sind es solche, welche nicht nur mathematisch sehr einfach gebaut sind, sondern weltweit vorkommen. Es handelt sich um gewisse Pentatoniken, die nicht nur rund um den Globus in Reinform gebräuchlich, sondern auch in etwas komplexeren Tonleitern, z.B. unserer Standard-Durtonleiter als Grundgerüst mitenthalten sind. Zuerst schauen wir die resonantesten Tonleitern an


Hier finden Sie die Übersicht über die Texte zur Drei-Welten-Theorie.

Brüche und Resonanzen

Resonanz funktioniert über gemeinsame Obertöne

Resonanz besteht, wenn zwei schwingungsfähige physikalische Träger gemeinsam schwingen. Dabei kommt es auf die Eigenfrequenz der beiden Träger an:

  • Resonanz 1. Grades: Beide Träger schwingen in der gleichen Frequenz (f2 = f1)
  • Resonanz 2. Grades: Ein Träger schwingt in einer Obertonfrequenz des anderen (f2 = n * f1)
  • Resonanz 3. Grades: Beide Träger schwingen in einer gemeinsamen Obertonfrequenz (f2 = n/m * f1)

Die Resonanz 3. Grades zeigt sich dadurch, dass das Verhältnis der beiden Frequenzen einem Bruch mit ganzen Zahlen (n/m) entspricht. Diese Resonanz 3. Grades ist die, die uns interessiert, denn sie ist für Tonleitern und Akkorde wirksam, und nicht wie oft angenommen diejenige 2. Grades (siehe den diesbezüglichen Vorbeitrag).

Beispiel Quinte

Eine Saite a' habe die Grundfrequenz 440 Hz und eine Saite e" die Frequenz 660 Hz. Dann schwingt auf der Saite a' der zweite Oberton mit 3 x 440 = 1320 Hz und auf der Saite e" der erste Oberton mit der Frequenz 2 x 660 = 1320 Hz. Dieser Ton ist der gemeinsame Oberton.
Die Saite a' kann nun die Saite e" über diesen gemeinsamen Oberton die Saite anregen. Das Verhältnis der beiden Grundfrequenzen ist entsprechend 3/2.

These

Damit Resonanz entsteht, müssen die Frequenzen im Verhältnis eines Bruchs mit ganzen Zahlen sein.

Warum ganze Zahlen?

Im Schwingungsmedium (Saite, Basilarmembran, etc.) entstehen bei einer Schwingung stehende Wellen. Diese sind dadurch charakterisiert, dass die Saite an ihren beiden Enden nicht schwingt, sondern nur in der Mitte, mit einem oder mehreren Bäuchen. Die Zahl der Schwingungsbäuche in der Mitte muss eine ganze Zahl sein, da sonst die stehende Welle an den beiden Enden nicht auf der Nulllinie wäre.


Tonleitertöne bewerten anhand der Resonanzen

Oktaven und Quinten lassen sich, wie wir hören können, sehr leicht in Resonanz bringen (Quintenexperiment) und zeichnen sich durch sehr einfache Resonanzverhältnisse (f2/f1) aus, nämlich 2/1 für die Oktave und 3/2 für die Quinte. Mit ganz wenigen mathematischen Bedingungen lassen sich nun weitere Tonleitertöne finden:

Kriterien für die Töne einer Tonleiter

Es wird jeweils das Intervall des Tons zum Grundton der Tonleiter angesehen.

  1. Das Intervall muss innerhalb einer Oktave liegen: Das heisst, der Bruch der beiden Frequenzen (Tonleiterton zu Grundton) muss ≥ 1 und  ≤ 2 sein.
  2. Das Intervall muss resonanzfähig sein: Nenner und Zähler des Bruchs müssen ganze Zahlen sein.
  3. Die Resonanz soll möglichst kräftig sein: Der Nenner des Bruchs soll möglichst klein sein.

Die beiden letzten Kriterien sind entscheidend, aber etwas erklärungsbedürftig und ich werde gerne die Gründe dafür veranschaulichen. Im Moment aber nehme ich alle drei mathematischen Kriterien als gegeben an und schaue, ob wir damit weitere bekannte Intervalle finden können.


Generierung eines Pools möglicher Tonleitertöne mit Hilfe dieser drei Kriterien

Wir gehen von den Nennern aus und starten dabei mit den Nennern 1 und 2. Bereits enthalten in unserer Tonleiter sind:

Alle übrigen Töne mit Nenner 1 oder 2 liegen ausserhalb unseres Oktavbereichs (1-2). Wir schauen deshalb, ob sich mit dem Nenner 3 weitere bekannte Intervalle ergeben:

Alle weiteren Brüche mit Nenner 3 liegen ausserhalb unseres Oktavbereichs. Wir fahren deshalb mit dem Nenner 4 weiter:

Alle weiteren Brüche mit Nenner 4 liegen ausserhalb unseres Oktavbereichs. Wir fahren deshalb mit Nenner 5 weiter:

Weitere Brüche mit Nenner 5 liegen ausserhalb unseres Oktavbereichs.

Zwischengedanke

Was hier auffällt ist, dass Brüche mit Zähler 7 bei uns in Europa als Intervalle nicht vorkommen. Meine These ist, dass das damit zu tun hat, dass sieben eine Primzahl ist. Das kann erklären, weshalb 8/5 und 9/5 für uns gewohnte Intervalle sind, obwohl Nenner und Zähler bei diesen Brüchen höher ist als bei 7/5. Acht ist 2x2x2 und Neun ist 3×3. Wir werden später sehen, dass wir zur Beurteilung der Resonanz von mehreren Tönen auch mehrere Intervalle miteinander vergleichen können. Zwei Intervalle vergleichen bedeutet in der Frequenzanalyse, dass der Bruch des einen Intervalls durch den Bruch des anderen geteilt wird. Dabei ist es vorteilhaft, wenn gekürzt werden kann. Bei einer Primzahl besteht diese Möglichkeit nicht, bei Zahlen wie 8 oder 9 ist das Kürzen aber oft möglich, insbesondere wenn wir mit Quinten und Quarten das 2 und das 3 im Nenner haben. Beispiele werden folgen.

Für unsere Generierung resonanter Tonleitertöne folgt aber, dass wir auf 7/4 und 7/5 verzichten – weil die 7 im Zähler eine zu hohe Primzahl ist.

Weiter geht es nun mit Nenner 6:

Der Nenner 6 bringt also keine neuen Töne.

Nenner 7 lassen wir als hohe Primzahl weg und gehen gleich zu Nenner 8:

Mit Nenner 8 gibt es somit zwei neue Intervalle, nämlich die grosse Sekunde (9/8) und die grosse Sept (15/8). Zwar sind bei beiden die Zähler und Nenner recht hoch, doch dafür lassen sich ihre Zähler und Nenner durch 2, 3 und 5 teilen. Dadurch werden die Brüche der Intervalle im Verbund von Tonleitern und Akkorden kürzbar und die Intervalle erweisen sich als resonant.

Damit beenden wir die Tonsuche und stellen unsere Funde in aufsteigender Frequenz zusammen:

Pool der resonanzmässig vorteilhaften Intervalle

Bei unserem Pool fällt folgendes auf:

a) Die meisten bei uns verwendeten Intervalle haben ganz einfache Frequenzverhältnisse.

b) Die Quart ist mit tiefem Nenner und Zähler der «viert-logischste» Tonleiterton. Dieser Ton ist aber nie ein Oberton. Trotzdem macht er Sinn und zwar sowohl in der mathematischen Welt (einfacher Bruch), wie in der physikalischen Welt (einfache Resonanzverhältnisse) wie auch mental (subjektives, musikalisches Hörerlebnis).

c) Kleine Sekunde und Tritonus fehlen in unserem Pool. Diese Töne sind mathematisch keine problemlosen Brüche und klingen entsprechend schärfer. Das ist musikalisch natürlich interessant, doch das Ideal einer problemlosen Resonanz wird mit diesen Intervallen verfehlt. Wir werden später sehen, wie der Tritonus sich unter gewissen Bedingungen trotzdem gut in Resonanzen einfügen lässt, die kleine Sekunde hingegen klingt immer scharf und wird dadurch der eigentliche Leitton in der europäischen Musik.

Doch vorerst belassen wir es bei unserem Pool von zehn Tönen. Das reicht für viele, insbesondere für die global am häufigsten verwendeten Tonleitern. Wir haben gesehen, dass das mathematische Kriterium eines Bruchs mit kleinen ganzen Zahlen ausreicht, diesen Pool von resonanten Tonleitertönen rein rechnerisch zu generieren und ihn auf nur 10 Töne zu beschränken. Alle diese rein mathematisch definierten Tonleitertöne sind für unsere Ohren (mentale Welt) keine Unbekannten.  Das mathematische Kriterium läuft perfekt parallel zu dem, was wir hören.


Weitere Zwischengedanken

Mathematiker mögen bekanntlich Primzahlen. In dieser Hinsicht können wir das oben genannte 3. Kriterium (möglichst tiefe Zahlen für Zähler und Nenner) präzisieren:

3. Kriterium präzisiert:

Damit das Intervall im Verbund mit anderen Intervallen gut resonanzfähig ist, soll Zähler und Nenner bei der Primzahlzerlegung möglichst kleine Primzahlen ergeben:

2 ist besser als 3
3 ist besser als 5
5 ist besser als 7
7 ist in der Praxis schon zu gross

Intervalle und Rhythmen

Das ist anders als bei Rhythmen, wo Bruchverhältnisse ebenfalls eine Rolle spielen. Weshalb das dort anders ist, und weshalb Rhythmen mit 7 oder 11 Schlägen gut klingen, lässt sich in der 3-Welten-Theorie plausibel erklären. Mehr dazu später.

Vom Pool zu den Tonleitern

Wir suchen nun nach weiteren Kriterien für attraktive Tonleitern. Der gefundene Pool ist ja noch keine Tonleiter, sondern nur unsere Ausgangslage, um daraus die Töne für verschiedene Tonleitern zusammen zu stellen. Dabei gelten weitere Kriterien.

Weitere Kriterien

4. Kriterium: Die Tonleitertöne sollen bevorzugt auch untereinander Resonanzen eingehen können

5. Kriterium: Die Tonleiter hat einen Grundton (eine sogenannte Tonalität), die in der Tonleiter eine ganz besondere Funktion hat.

6. Kriterium: Die Tonleitertöne dürfen nicht zu nahe beieinander sein, sonst können wir sie als Menschen (Laien) nicht mehr unterscheiden. Dies ist ein praktischer Constraint aus der mentalen Welt. In einer rein mathematischen Welt wären beliebige Differenzierungen denkbar, in der Realsituation ist das nicht der Fall.

Mehr zu den Kriterien für Tonleitern im Fortsetzungsbeitrag.


Dies ist ein Beitrag zum Thema 3-Welten-Theorie.

Begriffserklärungen zur Sinusschwingung

Für unsere Resonanzüberlegungen spielen Sinusschwingungen eine entscheidende Rolle. Ich möchte auf dieser Seite die Begriffe, die ich dabei verwende, erklären.

Schwingung

Eine Schwingung ist eine Bewegung in der Zeit, die um eine Nulllinie herum pendelt.

Die Schwingung kann verschiedene Formen haben. Für unsere Resonanzüberlegungen gehen wir von reinen Sinusschwingungen aus, eine solche Schwingung zeigt die Abbildung.

Amplitude

Die Amplitude ist die Abweichung der Schwingung von der Nulllinie. Für unsere Überlegungen spielt sie primär keine Rolle.

Periode

Eine Periode dauert so lange, bis die Schwingung wieder am gleichen Ort ist und sich daraufhin genau gleich wiederholt. Je nach Form der Schwingung erfolgen pro Periode zwei oder mehr Nullliniendurchgänge, bei der Sinusschwingung sind es zwei in jeweils gegensätzlicher Richtung.

Wellenlänge

Die Wellenlänge ist die Länge einer Periode.

Frequenz

Die Frequenz bezeichnet die Anzahl der Perioden pro Zeiteinheit. Sie ist für unsere Resonanzüberlegungen die entscheidende Grösse, denn während Amplituden und Wellenlängen je nach Trägermedium der Welle wechseln, bleibt die Frequenz bei einer Schwingungsübertragung von einem Medium zum anderen erhalten.

«Bauch»

Pro Periode hat die Sinusschwingung einen Bauch in die positive und einen in die negative Richtung. Wenn wir die Bäuche pro Zeiteinheit zählen, messen wir damit die Frequenz. Das „Bauchzählen“ misst also die Frequenz. Der saloppe Ausdruck hat den Vorteil der Anschaulichkeit. Gleichzeitig betont der Ausdruck «Bauch» die Unteilbarkeit (mathematisch: ganze Zahlen!), während die Frequenz mit beliebigen reellen Zahlen angegeben werden kann.
Für die Resonanzverhältnisse werden immer ganze Zahlen, also die Zahl der vollendeten Bäuche, verglichen. Ob man nur die positiven oder sowohl positive wie negative Bäuche zählt, ist irrelevant, da beim Frequenzvergleich in beiden Fällen durch Kürzen die jeweils gleichen Quotienten (Brüche) entstehen.

Eigenfrequenz

Gewisse physikalische Medien (Saiten, Luftsäulen in Pfeifen, etc) haben die Eigenheit, in einer ganz bestimmten Frequenz zu schwingen, in ihrer Eigenfrequenz.

Grundton und Obertöne

Neben der Eigenfrequenz als Grundfrequenz (Grundton) kann das Medium auch mit einem ganzzahligen Vielfachen dieser Grundfrequenz schwingen. Ganzzahlig meint hier: Es kommt auf die Zahl der ganzen Perioden (Bäuche) an.

Das «Herunterbrechen» der Quinte

Die Quinte

Schauen wir als erstes die Quinte an. Sie kommt in praktisch allen Tonleitern der menschlichen Kulturen vor. Tonleitern ohne diese reine Quinte existieren, doch diese Tonleitern erscheinen mir einerseits künstlich und bewusst konstruierte wie die Ganztonleiter zu sein, oder dann eher ungebräuchliche, wie das Lokrische. Die Bluestonleiter, die mit dem «Blueston», d.h. der «Flat Five», einen Ton knapp neben der Quinte benützt, kennt neben dieser verminderten Quinte (=Flat Five) auch die ganz normale Quinte. Die Quinte ist sicher nach der Oktave das Intervall, das am häufigsten in all den Tausenden von Tonleitern auf dieser Erde vorkommt.

Quinte und Duodezime

Kann diese normale Quinte wie die Oktave durch Resonanz entstehen? Sie ist zwar kein direkter Oberton, doch sie kann trotzdem über die Obertöne erreicht werden. Ich zeige hier gleich wie das funktioniert, nämlich über einen kurzen Umweg über die Duodezime, den dritten Oberton.

Zur Veranschaulichung zeige ich hier nochmals die Abbildung mit den schwingenden Obertönen:

Abb. 1: eine schwingende Saite mit Grundton und den ersten vier Obertönen

In Abb. 1 habe ich den dritten Oberton sogar schon als Quinte bezeichnet, eigentlich falsch, denn es ist in Wirklichkeit eine Duodezime. Trotzdem erscheint uns dieser Ton beim Hören sofort als eine Quinte. In Abb. 2 sehen Sie ein Beispiel für Quinten und Duodezimen auf dem Klavier:

Abb 2: Oktave und Duodezime auf dem Klavier

In unserem Beispiel ist der Grundton ein (grosses) C. Der erste Oberton, die Oktave, ist ein (kleines) c und der zweite Oberton, die Duodezime ein (kleines) g. Bekanntlich sind Intervalle immer relativ. Dieses kleine g ist nun bezogen auf den Grundton C zwar eine Duodezime, aber bezogen auf den ersten Oberton, nämlich auf das kleine c, ist das g eine Quinte.

Die Frequenz der Quinte

Wie steht es nun um dieses Intervall c-g frequenzmässig? Vergleichen wir dazu Abbildung 1 und 2: Der Ton 3 von Abb. 1 (g) ist das 3-fache der Grundschwingung (C) und der Ton 2 (c) das 2-fache. Somit schwingt Ton 3 (g) bezogen auf Ton 2 (c) 3/2 mal so schnell. Wenn wir also nicht das grosse, sondern das (kleine) c als Grundton nehmen, dann ist das (kleine) g die Quinte. Und in der Quinte schwingt der obere Ton (das g) 3/2 mal so schnell wie der untere Ton (das c). Das gilt ganz allgemein: Ein Ton der 3/2 mal so schnell schwingt wie ein anderer, klingt für uns eine Quinte höher.

Die drei Welten in der Quinte

Der Bruch 3/2 ist die mathematische Seite der Quinte. Wir haben sie über die Physik der Saitenschwingungen hergeleitet. Gleichzeitig haben wir die bereits erwähnten Bedingungen (Constraints) aus der mentalen Welt eingehalten: Die Quinte – wenn sie ein Tonleiterton sein soll – darf nämlich nicht zu weit weg vom Grundton sein. Das gilt für jeden Tonleiterton, er muss sich innerhalb einer Oktave bewegen. Mathematisch bedeutet das, dass das Verhältnis seiner Frequenz zur Frequenz des Grundtons zwischen 1 (=Grundton) und 2 (=Oktave) liegen muss. Die Quinte erfüllt das mit dem Frequenzverhältnis 3/2 = 1.5. Bei der Duodezime ist das Frequenzverhältnis 3, also grösser als 2 und somit ist die Duodezime kein Tonleiterton. Wir empfinden sie als Quinte, einfach eine Oktave höher, aber wie erwähnt, in der mentalen Welt empfinden wir die Oktave als den «gleichen» Ton.

Das Resonanzexperiment zur Quinte

Für den Bezug von Grundton, Quinte und Duodezime schlage ich Ihnen ein weiteres Resonanzexperiment auf dem Klavier vor:

Abb 3: Resonanzexperiment für die Quinte. Im Vergleich zu Abb. 2 ist nun die Quinte – das grosse G – und nicht das kleine g die Taste, auf der wir die Resonanz untersuchen.

Als erstes testen wir erneut die Duodezime und drücken wie beim Oktavexperiment mit der rechten Hand die Taste der Duodezime (das kleine g). Dabei soll die Saite nicht klingen, aber die Taste heruntergedrückt bleiben. Mit der linken Hand schlagen wir kurz und kräftig auf das C, also den Grundton. Wie beim Oktavexperiment sollte nun die heruntergedrückte Saite (g) klingen, obwohl sie nicht angeschlagen wurde. Es handelt sich um eine reine Resonanz, die Saite klingt, weil sie durch Schallwellen angeregt worden ist. Das funktioniert, weil das kleine g ein Oberton des grossen C ist.

Was aber ist mit dem grossen G, also der Quinte? Halten Sie zum Test das grosse G lautlos heruntergedrückt  und schlagen dabei kräftig den Grundton an, also das grosse C. Sie hören nun einen hohen Ton. Wenn Sie genau hinhören, werden Sie feststellen, dass es sich nicht um die Quinte, also das grosse G handelt, sondern um die Duodezime, nämlich das kleine g. Wie kommt das, das dieser Ton erklingt, wo Sie doch die Taste des kleinen g’s gar nicht heruntergedrückt halten?

Effektiv erklingt das kleine g auf der Saite des grossen G’s! Das heisst die Saite schwingt nicht in ihrer Grundschwingung, sondern in ihrer ersten Oberschwingung, der Oktave. Das geht gut, denn die Saite kann mit zwei Bäuchen fast so gut schwingen wie mit einem. Es handelt sich um einen sogenannten Flageolett-Ton.

Mit anderen Worten: Sie haben auf der Saite G eine Oberschwingung angeregt, deren Frequenz doppelt so schnell wie die Grundfrequenz der Saite ist. Woher aber wurde die Frequenz angeregt? – Es ist die gross C Saite, welche den Oberton initiiert hat. Auch bei der Schwingung dieser C-Saite ist ja das kleine g als Oberschwingung  enthalten, nämlich als 2 Oberton. Dieser 2. Oberton regt nun die (gross) G Saite zur Resonanz an, aber nicht in ihrer Grundschwingung, sondern in ihrem ersten Oberton, dem kleinen g. Denn nur dieses ist als Oberschwingung auf der (gross) G Saite anregbar. Diesen Ton (g) hören Sie auf der (G)-Saite, solange Sie die G-Taste gedrückt halten.

Tabelle 1: Die Resonanz in der Quinte

Die Resonanz erfolgt bei der Quinte somit über den Umweg der Obertöne.  Keine Saite ist in ihrer Grundschwingung beteiligt, sondern beide Saiten nur über ihre Oberschwingungen. Dass das funktioniert, haben Sie mit dem Quintenexperiment gezeigt.

Die Quinte, ein einfacher Bruch

In Tabelle 1 wird die Quinte als Bruch dargestellt: 3/2.

Wie wir gesehen haben, müssen alle Tonleitertöne im Bereich einer Oktave sein, das heisst ihre Frequenz muss zwischen dem Einfachen und dem Doppelten der Frequenz des Grundtons sein. Das haben wir mit dem Frequenzverhältnis 3/2 = 1.5 erreicht. Wir haben damit den ersten Ton innerhalb des Oktavbereichs  gefunden, der ein sehr einfaches Intervallverhältnis zum Grundton hat. Während die Oktave doppelt so schnell schwingt wie der Grundton, schwingt die Quinte 3/2 mal so schnell.

Die Obertöne kommen mit Ausnahme der Oktave für die Tonleitern nicht infrage. Sie können spielen aber trotzdem als Überträger der Resonanz eine Rolle. Wir haben die Quinte erhalten, indem wir die Duodezime (2. Oberton) einfach um eine Oktave herunter gebrochen haben. Dieses Herunterbrechen um eine Oktave zeigt sich als die 2 im Nenner. Die 3 im Zähler ist das «Erbe» des zweiten Obertons, der Duodezime, die dreimal so schnell schwingt wie der Grundton..

Ausblick

Mit dem Bruch 3/2, der die Quinte definiert, haben wir ein auffällig einfaches Zahlenverhältnis erhalten. Das ist kein Zufall. Wir werden sehen, wie diese einfachen Zahlenverhältnisse (ideale Welt) auch für die anderen Tonleitertöne eine Rolle spielen. Gleichzeitig werden wir sehen, dass das Kochbuch für diese Töne zuerst sehr mathematisch erscheint, dann aber durch die Constraints der physikalischen und mentalen Welt zunehmend gebrochen wird und schliesslich zu der scheinbar unendlichen Vielfalt an unterschiedlichen Tonleitern führt.

Schon die Tatsache, dass wir nicht mehr einfache ganzzahlige Verhältnisse wie bei den Obertönen für die Tonleitern verwenden können, sondern dass jetzt Brüche (mit ganzen Zahlen) verwendet werden, ist dem Constraint der Oktavbeschränkung geschuldet, die ein Constraint der physikalisch/mentalen Welt ist. Wir werden weitere Constraints finden – aber auch sehen und hören, wie die drei Welten immer wieder ganz nah zusammen kommen, fast so nah wie bei der Oktave.


Die Quinte ist nicht der einzige Bruch unter unseren Tonleiterintervallen. Ganzzahlige Brüche definieren die wichtigsten Tonintervalle. Mit einer einfachen Konstruktionsregel finden wir sie. Auf einem Fortsetzungbeitrag erkläre ich das Prinzip, das auf bemerkenswerte Weise Mathematik, Physik und menschliches Empfinden zusammenbringt.


Dies ist ein Beitrag zum Thema 3-Welten-Theorie.

Reale Constraints für Tonleitern

Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie und setzt den Beitrag zur Wahrnehmung der Oktave fort.

Funktioniert das Zusammentreffen der drei Welten nur für die Oktave?

Die Oktave zeigt, wie mit der mathematisch organisierten Obertonreihe die Mathematik, also die ideale (Penrose: platonische) Welt in die physikalische Welt eintritt und wie dieses Zusammentreffen von Mathematik (ganze Zahlen) und Physik (schwingende Materie) ein ganz spezielles Phänomen ermöglicht, nämlich die Resonanz. Die Resonanz wiederum nehmen wir Menschen subjektiv (Penrose: mentale Welt) als etwas ganz besonderes wahr. Zwei Töne im Abstand von einer Oktave erkennen wir subjektiv als gleiche Töne. Jedem von uns erscheint – unabhängig von der kulturellen Prägung – ein Ton mit der doppelten Frequenz als der «gleiche» Ton (Happy-Birthday-Experiment).

Wenn das Frequenzverhältnis (Mathematik) nur ein bisschen abweicht, verschwindet die Resonanz (Physik) und die Töne erscheinen uns (mental) als verschieden, ihr gemeinsames Erklingen als ein Missklang.

Bei der Oktave als erstem Oberton verbinden sich also die drei Welten. Können wir die auf die Oktave folgenden weiteren Obertöne ebenfalls für unsere Tonleiter verwenden? Die Antwort auf diese Frage ist kein einfaches Ja, denn die mathematische Reihe der ganzen Zahlen muss sich in die Sachzwänge der physikalischen und der mentalen Welt einfügen.

Was sind das für Zwänge? Und ist die Obertonreihe überhaupt eine Tonleiter, die in der Praxis Sinn macht?

Sachzwänge (Constraints) in der physikalisch / mentalen Welt
Töne dienen der Kommunikation und Säugetiere und Menschen kommunizieren akustisch. Sie sind fähig, Laute zu produzieren und sie zu hören. Diese physikalisch/mentale Gegebenheiten der Kommunikation müssen wir berücksichtigen, wenn wir uns überlegen, wie die Tonleitern entstanden sind.

Wir können nämlich mit unserer Stimme nicht Tonhöhen beliebiger Frequenz produzieren. Und wenn zwei Töne von ihrer Frequenz sehr weit auseinander sind, können wir schlecht ihren gegenseitigen Abstand messen (mentale, subjektive Welt). Deshalb dürfen die Töne einer Tonleiter nicht zu weit voneinander entfernt sein. Dies ist der erste Sachzwang der physikalischen und mentalen Welt bei der Bildung von Tonleitern.

Diese physikalisch/mentale Einschränkung kann noch weiter begründet und präzisiert werden: Weil wir einen zweiten Ton eine Oktave höher als den «gleichen» Ton wahrnehmen (Happy-Birthday-Experiment), darf eine Tonleiter den Bereich einer Oktave nicht überschreiten. Es gäbe sonst eine Überschneidung der Tonleiter mit sich selber, weil Töne ausserhalb der Oktave innerhalb der Oktave sofort einen «gleichen» Ton finden.  Aus diesem Grund ist eine Tonleiter immer auf den Bereich einer Oktave beschränkt, genau so wie wir es in allen Musikkulturen auch feststellen können.

Die Töne dürfen andererseits auch nicht zu nah beisammen sein, denn dann können wir sie nicht mehr unterscheiden. Die Tonleitertöne dürfen aus diesem Grund nicht beliebig viele Töne haben – auch wenn dies mathematisch durchaus denkbar wäre. Doch nicht alles, was mathematisch möglich ist, macht in der Realität Sinn.

Die Folgen aus diesen Bedingungen für Tonleitern lassen sich in zwei Punkten zusammenfassen:

  1. Die Töne der Leiter dürfen sich nur im Raum einer Oktave bewegen.
  2. Es dürfen nicht zu viele Töne in der Tonleiter vorkommen.

Dies ist das physikalisch/mentale Constraint für Tonleitern.


Wie können nun unter diesen Constraints überzeugende Tonleitern entstehen? Können das weiterhin solche sein, die einfache mathematische Verhältnisse aufweisen?  → siehe Folgebeitrag.


Dies ist ein Beitrag zum Thema Drei-Welten-Theorie.

Die Wahrnehmung der Oktave mental

Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie und setzt den Beitrag zur Resonanz der Oktave fort.


Die subjektive Seite

Die mathematische oder nach Penrose platonische Welt mit ihren einfachen Zahlenverhältnissen und die physikalische Welt mit ihren Resonanzphänomenen bringt uns die Oktave näher, erklärt aber noch nicht, weshalb dieses Intervall in allen Kulturen die Basis von allen Tonleitern ist. Dazu müssen wir auch die mentale Welt betrachten, das heisst die Welt unserer subjektiven Wahrnehmung.

Diese ist zwar allen zugänglich, doch es bleibt ihre eigene und subjektive Wahrnehmung. Ich kann nicht in Ihren Kopf sehen. Zwar können bildgebende Verfahren (MRI, PET) objektiv feststellen, welche Hirnareale wann aktiv sind, doch was auf diese Weise wahrnehmbar wird, ist der Blutfluss an einer bestimmten Stelle und nicht der Gedanke, wie Sie ihn erleben.

Happy Birthday

Die mentale Welt ist Ihre höchst persönliche Welt, doch für das Primat der Oktave trägt sie einiges bei. Wieder schlage ich ein kleines Experiment vor, zwar kein objektives wie im Vorbeitrag, doch ein durchaus nachvollziehbares. Der Vorteil ist: Mit grosser Wahrscheinlichkeit haben Sie es bereits schon mehrmals durchgeführt.

Es kann auch das Weihnachtslied im Familienkreis sein. Mehrere Menschen singen zusammen und wenn wir Glück haben, singen wir einstimmig. Das ist jedenfalls meistens unsere Absicht. Es funktioniert besser, wenn alle Sänger etwa die gleiche Stimmlage haben. Was aber, wenn Frauen und Männer und Kinder zusammen singen? Auch dann erkennen wir, wenn alle einstimmig zusammen sind. Wir singen zwar nicht die gleichen Frequenzen, sondern Frequenzen mit einer Oktave Abstand, merken das aber praktisch nicht. Der Abstand von einer Oktave klingt für uns als der gleiche Ton. Wenn ich als Bass neben dem Alt die tiefere Oktave nicht treffe, singe ich falsch, wenn ich sie treffe, singe ich richtig. Das ist die subjektive Wirkung der Oktave: Es ist der gleiche Ton.

Die Resonanz in der physikalischen Welt erleichtert dieses subjektive Zusammenfallen der Töne im Oktavabstand, und vermutlich unterstützen uns die Resonanzverhältnisse auf der Basilarmembran des Innenohrs darin, die beiden Frequenzen auch subjektiv in unserer mentalen Welt zusammenzubringen.

Erster und zweiter Oberton

Die Oktave als erster mathematisch-physikalisch möglicher Oberton unterscheidet sich in dieser Beziehung vom zweiten Oberton, der in der Tonleiter auf eine Quint fällt. Zur Verdeutlichung des mathematischen Bezugs zeige ich nochmals die Schwingungsverhältnisse von Grundton und den ersten Obertönen:

Abb. 1: Oktave und Quinte als Obertöne

Weshalb ist nun die Oktave das Merkmal der Einstimmigkeit und nicht die Quinte, obwohl beide mathematisch und physikalisch die engste Beziehung zum Grundton haben? Die Quinte ist zwar mathematisch gesehen etwas weiter weg vom Grundton als die Oktave, aber die Doppeloktave ist es noch weiter und trotzdem empfinden wir die Doppeloktave genau wie die Oktave mental als den «gleichen» Ton wie den Grundton.

In der mentalen Welt, also in unserem Erleben, unterscheiden sich Oktave und Quinte deutlich. In dieser Welt sind die Oktave (und alle Mehrfach-Oktaven) der «gleiche» Ton – die Quinte aber ist ein anderer Ton. Das ist überall auf der Welt so, in allen Kulturen. Weil ein Ton eine Oktave höher als der gleiche Ton empfunden wird, wiederholen sich die Tonleitern eine Oktave höher, und nicht etwa eine Quinte.

Ein Experiment zur Unterscheidung von Oktave und Quinte in der mentalen Welt

Das oben beschriebene Happy-Birthday Experiment kann erweitert werden und so auch den Unterschied zwischen Quinte und Oktave und die besondere Rolle der Oktave zeigen. Sänger können z.B. versuchen, bei der nächsten Geburtstags-Party den Song nicht eine Oktave tiefer (oder höher) zu singen, sondern eine Quinte. Das dürfte ziemlich schwierig für Sie sein, weil Sie eben nicht den «gleichen» Ton singen wie die anderen. Und falls Sie es schaffen, werden die anderen Sie verwundert ansehen, weil Sie eben die Quinte und «nicht den gleichen Ton» singen. Die Oktave ist der «gleiche» Ton, die Quinte ist es nicht.

Über den Zugang zur mentalen Welt

Die mentale Welt lässt sich bekanntlich schwierig beweisen, da sie völlig subjektiv ist. Obwohl jeder mit seinen Gedanken und Empfindungen dauernd in dieser Welt lebt, ist sie objektiver naturwissenschaftlicher Untersuchung nur indirekt zugänglich. Die Inhalte Ihres mentalen Erlebens können Sie anderen Menschen mitteilen, aber ganz sicher können Sie nie sein, dass die anderen sie auch gleich empfinden. Sie können nur hoffen, dass die anderen Ihr Erleben nachvollziehen können. Doch genau dieses subjektive Erleben und Nachvollziehen macht ja die Musik so interessant. Auf eine ganz besondere Weise teilen wir so unsere Subjektivität.

Fazit

Wir sehen, wie sich genau bei der Oktave die mathematische, die physikalische und die mentale Welt treffen. Die einheitliche Bedeutung der Oktave in allen Musikkulturen der Erde ist nur unter Einbezug aller drei Welten verstehbar.


In der Fortsetzung geht es um die weiteren Töne der Tonleitern. Können diese auch so einfach wie die Oktave erklärt werden?


Dies ist ein Beitrag zum Thema Drei-Welten-Theorie.


 

Resonanz und Oktave

Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie und setzt den Beitrag zur Oktave fort.

Wir erzeugen eine Resonanz

Falls Resonanz für Sie ein abstraktes – oder noch kein erlebtes musikalisches – Phänomen ist, empfehle ich Ihnen folgendes einfaches Experiment: Suchen sie ein Klavier (kein digitales) und auf dem Klavier einen Ton, den Sie gut singen können. Drücken Sie die Taste mit diesem Ton und singen Sie ihn. Das setzt natürlich schon die Resonanz in ihrem Innenohr voraus, sonst würden Sie den Ton nicht treffen. Als nächstes drücken Sie die Klaviertaste, aber so, dass kein Ton erklingt und halten Sie die stumme Taste nach unten gedrückt. So kann die Saite frei schwingen. Jetzt singen Sie den Ton wieder. Wenn Sie die Tonhöhe der Taste erwischt haben, dann erklingt jetzt der Ton im Klavier, ohne dass Sie die Taste erneut anschlagen. Am besten funktioniert das, wenn das Klavier offen ist, und Sie die Saiten sehen können. Aber auch bei geschlossenem Klavierdeckel funktioniert es, Sie müssen eventuell nur ein bisschen lauter singen. Sie können nun verschiedene Töne singen, z.B. eine kleine Melodie und erkennen, dass der Ton im Klavier genau dann erklingt, wenn Ihre Stimme die gleiche Tonhöhe hat wie die Taste.

Falls Sie Mühe haben, den Ton zu treffen, geht es noch einfacher. Drücken Sie auf dem Klavier das Pedal ganz rechts. Jetzt können alle Saiten frei schwingen. Rufen Sie jetzt laut auf das Klavier ein, am besten bei offenem Deckel. Wieder hören Sie, wie die Saiten schwingen, als Echo auf ihre Stimme.

Einfache Resonanz

Die «Fernwirkung» im obigen Experiment ist keine Hexerei, sondern durch Schallwellen vermittelt. Diese treten mit der Saite in Resonanz. Das typische daran ist, dass die Resonanz nicht bei jeder Frequenz auftritt, sondern genau dann, wenn die Schallwelle die Eigenfrequenz der Saite trifft. Eigenfrequenzen sind Eigenschaften von vielen physikalischen Systemen, z.B. kann auch eine Brücke eine Eigenfrequenz haben oder ein Glas, ein Stück Holz oder ein Topf. Saiten- und Blasinstrumente sind dahingehend perfektioniert, dass sie besonders gut klingen, d.h. dass ihre Eigenfrequenzen besonders kräftig und klangvoll sind.

Resonanzen höheren Grades

Wieder schlage ich ein kleines Experiment vor und wieder benötigen Sie ein Klavier, diesmal sollte es gestimmt sein.

Abb 1: Zwei C’s auf dem Klavier im Abstand einer Oktave

Drücken Sie nun die Taste C auf dem Klavier, und zwar die obere (rechte) Taste C. Auf dem Klavier hat es natürlich viele von diesen C’s, nehmen Sie am besten zwei benachbarte C’s in der Mitte der Tastatur, dort ist das Experiment am deutlichsten zu hören. Sie können auch andere Töne als C’s nehmen, das Experiment funktioniert mit allen Tönen, Voraussetzung ist allerdings, dass der Abstand zwischen den beiden Tönen genau eine Oktave ist. Sie erkennen jetzt auch, woher die Oktave ihren Namen hat, das obere C ist acht (lateinisch: octo) Töne vom unteren entfernt (bei der Zählung wird für die musikalischen Intervalle der Ausgangston immer mitgezählt).

Sie haben jetzt die obere (rechte) C-Taste stumm nach unten gedrückt. Schlagen sie jetzt die untere C-Taste kurz und kräftig an. Sie hören jetzt wieder eine «Fernwirkung». Offensichtlich ist die Saite des oberen C’s durch den Anschlag des unteren in Schwingung geraten. Schlagen Sie nun eine Taste gleich links oder rechts neben dem unteren C an. Bei diesen Tasten können Sie das obere C nicht zum Klingen bringen, es entsteht keine Resonanz.

Weshalb genau bei einer Oktave eine Resonanz entsteht

Grundton und Obertöne

Abb. 2:  Mögliche Schwingungen einer Saite
In Abb. 2 sehen Sie fünf mögliche Schwingungsmuster für eine gespannte Seite. Unten (bei 1) schwingt die Saite mit genau einem Bauch in der Mitte. Bei 2 hat es zwei Bäuche, bei 5 fünf. Gelb ist die schwingende Saite gezeichnet, der schwarze Strich zeigt die korrespondierende Schallwelle, d.h. die Schallwelle (Wanderwelle), welche die gleiche Frequenz hat wie die stehende Welle, welche die klingende Saite darstellt. Diese Frequenz hat die Wellenlänge λ, ist also doppelt so lang wie die Saite.

Der Zustand 1 ist nun der Grundzustand, d.h. der Ton, der im oben vorgeschlagenen Experiment erklingt, wenn Sie eine Klaviertaste drücken. Der Zustand 2 ist der nächste erlaubte Zustand der Schwingung. Hier schwingt die Saite mit zwei Bäuchen, bei 3 sind es drei, etc. Alle Zustände also, bei denen die Saite an den Enden, an denen sie befestigt ist, nicht ausschwingt, sind Zustände, die ein ungehindertes Schwingen der Saite erlauben. Somit ist nicht nur der Zustand der einfachen Saitenschwingung möglich, sondern im Prinzip jeder, der einer Wellenlänge entspricht, die ganzzahlig in die Saitenlänge passt. Bei Zustand 2 ist die Wellenlänge halb so lang wie im Grundzustand und die Frequenz somit doppelt so gross (schnell,hoch). Zustand 2 entspricht mit seiner doppelt so grossen Frequenz dem Ton, der eine Oktave höher klingt, Zustand 4 dem Ton, der zwei Oktaven höher klingt.

Weshalb nun klingt das höhere C nun mit, wenn Sie, wie im Experiment oben vorgeschlagen, das tiefere C anschlagen? – Der Grund liegt darin, dass die Saite des tiefen C’s – wie jede Saite – nicht nur in der Grundschwingung (Zustand 1 in Abb. 2) erklingt, sondern mehr oder weniger in allen erlaubten Schwingungen. Diese Schwingungen überlagern sich also. Wenn nun die von der tieferen Saite ausgehenden Schallwellen die Saite des höheren C’s erreichen, dann enthalten sie neben der Grundschwingung immer etwas leiser auch die höheren Schwingungen und somit genau auch die Schwingung der Saite des höheren C’s. Einer Resonanz steht dadurch nichts mehr im Weg.

Sinusschwingung und Obertöne

Die schwarzen Kurve in Abb. 2 sind mathematisch gesehen Sinuskurven. Mit einem technischen Gerät ist es möglich, solche Kurven akustisch zu erzeugen, man spricht dann von einem Sinusschwingung. Mit natürlichen Klangkörpern, also der Klaviersaite, Ihrer Stimme oder überall sonst in der Natur kommen solche reinen Sinusschwingungen nicht vor, sondern die so erzeugten Schallwellen enthalten immer auch die höheren Schwingungen (Stufen 2 ff. in Abb. 2) in komplexen Überlagerungen mit. Man spricht von Obertönen. Die Anteile der einzelnen Obertöne, d.h. wie viel von den Schwingungen der Stufen 2 und folgende jeweils neben dem Grundton in der Mischung des Klangs mitschwingt, ist sehr variabel und wird von den physikalischen Eigenschaften des klangerzeugenden Mediums bestimmt. Diese Mischungen machen den Charakter des Klangs des jeweiligen Instruments aus.


Interpretation der Saitenschwingungen in den drei Welten

Platonisch → Physikalisch (Von einfach zu komplex)

Wir sehen am Beispiel der schwingenden Saite, wie mathematische Gesetzmässigkeiten aus der  platonischen Welt die physikalische Welt bestimmen. In der physikalischen Welt kommen sie aber sehr verschieden an und es entsteht eine grosse Vielfalt: Auf der Saite entstehen gleichzeitig mehrere Schwingungen, neben dem Grundton entstehen immer gleichzeitig viele Obertöne. Jede einzelne dieser Schwingungen kann mathematisch sehr einfach beschrieben werden. Die Mischung jedoch ist äusserst komplex.

Was mathematisch, d.h. in der abstrakten platonischen Welt sehr einfach ist, wird schnell komplex, sobald es in der physikalischen Welt wirkt.

Die unendliche Treppe in Penrose und «Anti-Penrose»-Richtung

Die Trichter in der Skizze von Penrose stellen m.E. nur eine Richtung der Verhältnisse dar. Penrose betont in seiner Darstellung, dass nicht die ganze Mathematik gebraucht wird, um die Physik zu beschreiben und kommt so zu Mengenverhältnissen, wie sie in der Skizze mit den Trichtern dargestellt sind und die wie die ewige Treppe der Logik zu widersprechen scheinen.

Doch meines Erachtens können die Trichter auch in der Gegenrichtung gesehen werden, dann wenn man die Informationsmenge betrachtet. Diese ist in der physikalischen Welt grösser als in der platonischen. Beim Eintreten der Mathematik in die Physik entsteht Neues, nämlich die komplexe Vielfalt der Mischungsverhältnisse. Diese konkrete Vielfalt in der physikalischen Welt stellt eine Information dar, die weit über die Information der ursprünglichen mathematischen Welt hinausgeht. Die Informationsmenge nimmt in Richtung von platonisch zu physikalisch zu. Das stellt mengenmässig eine Gegenbewegung zum Trichter von Penrose dar. Die unendliche Treppe der drei Welten verliert so bei näherem Hinsehen etwas von ihrem Paradoxie-Schrecken.

Platonisch → Mental

Vermutlich haben Sie schon technisch erzeugte Sinusschwingungen gehört. Sie standen am Anfang der elektronischen Musik und hatten damals den Reiz des Neuen und Technischen. Gerade ihre nackte Reinheit war beeindruckend. Allerdings sind diese Töne sind sehr schnell auch sehr langweilig. Die Reinheit und die sterile Banalität dieser technischen Klänge ist verursacht durch das fehlende Mitschwingen der Obertöne. Die reichhaltigen Informationen dieser Zusatzschwingungen nehmen wir als Hörer wahr und sie machen den Reichtum der natürlichen Klänge aus. Ich möchte nicht auf sie verzichten.


In einem Fortsetzungsbeitrag möchte ich erklären, weshalb die Oktave in der mentalen Welt so wichtig ist und was das dazu beiträgt, dass die Tonleitern in allen Kulturen stets die Oktave als Basis haben.


Dies ist ein Beitrag zum Thema Drei-Welten-Theorie.


 

Die Oktave

Eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit

Alle Tonleitern, die ich kenne, bewegen sich im Bereich einer Oktave. Auch Tonleitern, die für uns Europäer ungewöhnlich klingen, arabische, indische, japanische und afrikanische bewegen sich innerhalb genau einer Oktave, d.h. ihr tiefster und ihr höchster Ton haben den Abstand von genau einer Oktave, was für eine Tonart das auch ist.

Ich finde das äusserst bemerkenswert. Das ist so, als ob alle Sprachen der Welt, die ja sehr unterschiedliche Wörter haben, für einen bestimmten Begriff das gleiche Wort verwenden würden, und zwar schon immer und ganz unabhängig voneinander. Woher kommt das?

Die Drei-Welten-Theorie kann nun diese ungewöhnliche Gemeinsamkeit der Tonarten aller menschlichen Kulturen plausibel erklären.

Die Oktave platonisch

Wenn Sie eine Saite auf einer Geige zupfen, erhalten Sie einen Ton. Wenn Sie nun den Finger genau in der Mitte der Saite auf das Griffbrett drücken und dann zupfen, erklingt die Saite eine Oktave höher. Das gleiche gilt für Pfeifen. Eine Pfeife, die halb so lang ist wie eine andere, klingt eine Oktave höher. Offensichtlich liegt der Oktave ein Verhältnis 1:2 zugrunde. Das ist die platonische, d.h. mathematische Seite der Oktave. Einfache mathematischen Verhältnisse (= Brüche) spielen auch bei anderen Intervallen eine Rolle, worauf wir noch kommen werden.

Diese mathematischen Verhältnisse der Verhältnisse zwischen den Tönen – das heisst der Intervalle – sind schon lange bekannt und wurden vom Griechen Pythagoras gelehrt, der vor Sokrates und Platon eine einflussreiche Schule in Süditalien begründete.

Abb. 1: Eine schwingende Saite. Oben ist die Saite links und rechts (0 und 1) befestigt, kann dort also nicht schwingen. Je weiter weg von der Befestigung, umso stärker schwingt sie aus, am meisten in der Mitte. Unten ist in der Mitte ein Finger auf die Seite gedrückt, und sie schwingt nun in der halben Länge und eine Oktave höher. (Mit diesen Beschreibungen sind wir aber von der platonischen bereits in die physikalischen Welt eingetreten).

Das einfaches Zahlenverhältnis erklärt die Einzigartigkeit des gemeinsamen Merkmals Oktave über alle menschlichen Kulturen noch nicht. Weshalb spielt das Zahlenverhältnis für die Tonleitern überhaupt eine Rolle?

Zur Erklärung müssen wir die beiden anderen Welten ansehen, nämlich die physikalische, in der Töne erklingen, und die mentale, in der wir sie wahrnehmen.

Die Oktave physikalisch

Töne

Töne sind materielle Schwingungen in einem Trägermedium, z.B. Luft. Ein Ton enthält ist in der Regel eine Überlagerung von mehreren Schwingungen (Grundton plus Obertöne). An dieser Stelle schauen wir aber nur die Grundschwingung an, die die erkennbare Tonhöhe bestimmt.

Diese Grundschwingung ist eine Sinuskurve und die Tonhöhe wird als Frequenz angegeben, z.B. 440 Hz. Diese Frequenz bedeutet, dass die Sinuskurve 440 mal pro Sekunde hin und her schwingt. Das gleiche tut auch die Saite.

Die Saite schwingt an Ort, man spricht von einer stehenden Welle (siehe Abb. 1 oben). Die Schwingung in der Luft hingegen bewegt sich vom Ort fort (Wanderwelle). Durch ihre stationären Schwingung kann die Saite die Luft bewegen und führt so zu einer Schwingung in der Luft, einer Schallwelle. Dabei überträgt die Saite die Eigenschaften ihrer Schwingung, insbesondere deren Frequenz, auf die Schallwelle.

Die Wellenlänge in einer Wanderwelle, also einer Schallwelle, aber auch z.B. einer Welle auf der Wasseroberfläche ist der Abstand der Wellenbäuche (oder Wellenkämme)  voneinander. Bei einer stehenden Welle, also der Saite in Abb. 1 ist die Wellenlänge gleich der (doppelten) Länge der schwingenden Saite.

Wenn nun die Geschwindigkeit der Wanderwelle konstant ist, dann müssen mehr Wellenbäuche hintereinander kommen, je kürzer die Abstände zwischen ihnen sind. Die Abstände zwischen den Wellenkämmen entsprechen der Wellenlänge, die Zahl der Kämme pro Zeit der Frequenz der Welle. Je mehr Kämme an einem Ort durchlaufen, umso kleiner sind ihre Abstände.

Zwischen der Wellenlänge und ihrer Frequenz besteht somit ein umgekehrt proportionales Verhältnis, d.h. je kürzer die Wellenlänge umso höher muss die Frequenz sein. Deshalb schwingt die halb so lange Saite doppelt so schnell. Das ist der physikalische Ursprung der Oktave.

Tonentstehung

Wie kommt nun die Schwingung in die Saite? Dies rührt daher, dass eine gespannte Saite eine Tendenz zu einer Eigenschwingung hat, Die Spannung der Saite führt dazu, dass ein Anstoss, z.B. ein Zupfen der Saite, in ihr eine Bewegung auslöst, die an den beiden Enden der Saite nicht aufhört, sondern wieder zurück gestossen wird. Auf diese Weise bildet sich die stehende Welle aus. Die Wellenlänge, also der Abstand der Wellenbäuche, wird dabei von der Länge der Saite bestimmt. Der Grund dafür ist, dass an den beiden Enden der Saite keine Bewegung mehr möglich ist, da sie ja dort fest fixiert ist. Ausschwingen kann die Welle nur dazuwischen. Die Wellenlänge muss also genau in die Länge der Saite passen.

Die Oktave mental

Das Innenohr

Wir nehmen Töne mit unseren beiden Innenohren wahr. Diese sind äusserst raffiniert gebaute Organe mit einer schneckenförmigen Struktur, weshalb man auch von der Hörschnecke spricht. Die Schallwelle durchwandert von aussen her die flüssigkeitsgefüllte Hörschnecke und erzeugt durch Resonanz eine Schwingung der sogenannten Basilarmembran, welche  die gesamte Schnecke durchzieht. Entlang der Basilarmembran nehmen sogenannte Haarzellen die Schwingungen der Basilarmembran auf und leiten sie als elektrische Signale nach innen ins Hirn. Durch den komplexen und raffinierten Bau der Schnecke, der hier nur kursorisch beschrieben ist, können die akustischen Signale analytisch zerlegt werden, sodass je nach Frequenz unterschiedliche Haarzellen angeregt werden, je höher die Frequenz umso näher am Eingang der Schnecke, je tiefer umso mehr im Innern.

Die Tonwahrnehmung mental

Bis hier hat die Beschreibung der Tonwahrnehmung über das Innenohr noch nichts mit der mentalen Welt zu tun, es handelt sich nur um die anatomischen Voraussetzungen, d.h. den physikalischen Apparat, der die physikalischen Signale (die Schallwellen) gezielt für die eigentliche Wahrnehmung vorbereitet. Diese findet im Gehirn statt und ist ein subjektiver Vorgang.

Subjektive Vorgänge zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht von aussen nachvollzogen werden können. Wie Sie etwas hören und empfinden, weiss ich nicht, das ist ganz Ihre Welt. Allerdings haben wir als Menschen so viele Gemeinsamkeiten, dass ich in davon ausgehen kann, dass Sie vieles ganz ähnlich erleben wie ich. Wir haben die gleiche Anatomie und die gleichen Lebensbedingungen. Weshalb empfinden viele Menschen die gleiche Musik als schön? Wenn wir von der gleichen Musik gerührt werden, sie gleich wie andere als fröhlich, traurig, tröstend, mitreissend usw. empfinden, zeigt das, dass unsere mentalen Welten trotz ihrer Subjektivität stark verbunden sind.

Dabei spielen kulturelle Aspekte – also gelernte Gewohnheiten – eine ganz wichtige Rolle. Auch die Kultur gehört letztlich in die mentale Welt, sie ist der Geist, d.h. die Subjektivität, die wir teilen. Diese Subjektivität, die individuelle wie die kollektive, fusst aber auch auf den physikalischen Voraussetzungen.

Somit sind wir wieder bei unserem Thema: Weshalb haben alle Kulturen der Menschen die Oktave in ihren sonst so verschiedenen Tonleitern?

Der Grund ist physikalisch erklärbar und liegt in der Resonanz.

Die Resonanz

Resonanz ist eine Voraussetzung, dass die Töne im Innenohr überhaupt ankommen. Denn die Basilarmembran im Innenohr übernimmt die Schwingungen der Schallwellen auf eine ganz bestimmte Weise. Nicht alle Frequenzen finden auf der Basilarmembran die gleiche Resonanz. Das Innenohr ist so gebaut, dass die Basilarmembran am Eingang mit hohen Frequenzen in Resonanz gerät und in der Tiefe mit tiefen. So analysiert das Ohr die verschiedenen Tonhöhen. Aber die Resonanz ist noch für viel mehr verantwortlich, u.a. auch dafür, dass in den tausenden unterschiedlichen Tonleitern die Oktave immer vorkommt. Dieser auffällige Beobachtung werden wir im Fortsetzungsbeitag verfolgen.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie.


 

Tonleitern in der 3-Welten-Theorie

Tonleitern sind Muster

Wenn Sie eine Melodie hören, steht dahinter eine Tonleiter, d.h. ein Angebot von wenigen, ganz bestimmten Tönen, die überhaupt in der Melodie vorkommen können. Diese Töne in einer linearen Folge bilden die Leiter. Die meisten Melodien, die in unserem Kulturkreis zu hören sind, lassen sich auf eine einzige Tonleiter, die ionische oder Dur-Tonleiter zurückführen, die sieben Töne in ganz bestimmten Abständen aufweist.

Tausende von Tonleitern

Es gibt aber Tausende von unterschiedlichen Tonleitern. Vermutlich kennen Sie neben Dur auch Moll und haben vielleicht etwas von der Pentatonik gehört, von Ganztonleitern, von Phrygisch und Lydisch, von indischen Ragas, japanischen und afrikanischen Tonleitern. Alle diese Tonleitern sind verschieden.

Trotzdem haben sie, wie wir sehen werden, einige verblüffende Gemeinsamkeiten. Warum sollten die Menschen überall auf der Welt in allen Kulturen und bei allen Unterschieden sich freiwillig, ausnahmslos und strikt an diese Gemeinsamkeiten halten? Die Gründe dafür lassen sich gut erklären, wenn man nicht nur eine Welt anschaut, sondern das Zusammenspiel aller drei Welten.


In welcher der drei Welten existiert die Tonleitern?

Tonleitern sind Teil unserer Realität, wie immer wir Realität definieren. Es sei denn, wir definieren die Realität als das, was wir Materie nennen. Dann sind die Tonleitern nicht Teil der Materie. Sie prägen sich zwar in der physikalischen Welt aus, z.B. wenn ein Mensch sie singt oder spielt, aber sie haben eine Identität, die unabhängig von der jeweiligen Ausführung ist. Die Tonleiter ist also in diesem Sinn nichtlokal, wie es typischerweise Entitäten in der platonischen Welt sind. Zwischen der Tonleiter und ihrer Ausführung besteht dann das Verhältnis von einem abstrakten, d.h. platonischen Muster zu seiner materiellen Instanz. Es handelt sich immer dabei um ein 1/n – Verhältnis, denn das Muster ist einmalig, doch daraus können beliebig viele Instanzen gewonnen werden.

Als Muster gehört die Tonleiter in die platonische Welt, auch wenn sie sich in die materielle Welt hinein ausprägt. Gerade die Mathematik hat viel mit der Form der Tonleitern zu tun, was leicht zu zeigen ist, doch andererseits müssen Sie gar nichts von dieser Mathematik wissen, um Tonleitern korrekt zu erkennen und oder zu singen. Ihre mentale Welt, in der Sie die Tonleiter erleben, braucht keine Zahlen und Formeln.

Eine Tonleiter existiert somit in allen drei Welten:

Platonische Welt: Hier existiert die Tonleiter als eine Entität, d.h. als eine Einheit und Ganzheit. Hier existiert jede Tonleiter nur einmal.

Physikalische Welt: Hier existiert die Tonleiter als eine beliebige Zahl von Vorkommnissen – wann immer Melodien auf ihrer Basis ertönen.

Mentale Welt: Hier, nämlich in Ihrem Kopf, erkennen Sie die Melodien und Tonleitern.

Selbstverständlich ist jede Welt ganz auf ihre eigene Weise organisiert. Wie spielen nun die drei Welten zusammen? Wir schauen das am Beispiel der Oktave an.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie.

 

Die platonische Welt

Warum ‹platonisch›?

Penrose bezeichnet eine der drei Welten in der Drei-Welten-Theorie als platonisch. Weshalb?

Platon

Der reiche Athener Bürger Platon war ein Anhänger des Philosophen Sokrates. Er hat im 4. Jahrhundert vor Christus eine Philosophenschule gegründet, die für die europäische Philosophie grundlegend war und die philosophische Diskussion bis in unsere Zeit entscheidend prägte. Wenn also Roger Penrose eine der drei Welten ‹platonisch› nennt, bezieht er sich auf Platon und im Speziellen auf eine bestimmte Frage und den Diskurs darüber, der bis heute ausstrahlt. Die Frage lautet: Sind Ideen real?

Platons Ideenrealismus

Oft wurde von den nachfolgenden Philosophen das Thema als ein Konflikt zwischen Platon und seinem Schüler Aristoteles dargestellt. Platon wird die Haltung zugeschrieben, dass die Ideen nicht nur real seien, sondern sogar die eigentliche Realität, und das, was wir als Realität bezeichnen, nur ein Abklatsch der Ideen. Penrose bezeichnet nun die abstrakte Welt der Mathematik als ‹platonische› und nimmt damit Bezug auf den Gedanken Platons, dass nämlich den abstrakten Ideen ein Realitätswert zukommt.

Die Ideenwelt als eine der drei Welten

Die platonische Realität der Ideen wurde natürlich auch bestritten und Europas Philosophiegeschichte ist voll von Pros und Contras dazu, die unter den Stichworten Realismus, Nominalismus und Universalienstreit den Diskurs der Philosophen über viele Jahrhunderte geprägt haben und im Hintergrund auch heute noch wirksam sind. Die Theorie von Penrose ordnet nun wie Platon der abstrakten platonischen Welt eine Realität zu, aber nicht die der einzigen Realität, wie das ein kompromissloser platonischer Realismus tun würde, sondern als eine der drei Realwelten, die miteinander im Austausch stehen. Es geht also bei der Drei-Welten-Theorie nicht darum, welche Welt die reale oder wahre sei – wie etwa im Universalienstreit –, sondern darum, wie der Austausch zwischen ihnen stattfindet.

Doch zurück zur platonischen Welt. Was zeichnet sie gegenüber den anderen beiden aus?

Charakteristika der platonischen Welt

Nicht-Lokalität

Wo ist die Zahl ‹3›? Können Sie irgendwo in Ihrer Umgebung darauf zeigen?

Sie können natürlich auf drei Äpfel zeigen, auf drei Bleistiftstriche oder auf drei Kaffeetassen, aber das ist nicht die Zahl Drei, sondern das sind Äpfel, Bleistiftstriche und Kaffeetassen. Die Zahl Drei bleibt abstrakt. Niemand kann darauf zeigen.

Selbstverständlich können Sie auch das Wort ‹drei› oder auf die ‹3› in diesem Text zeigen, aber das sind nur die Symbole für die Zahl und nicht die Zahl selber. Die Zahl selber bleibt abstrakt; sie existiert gleichzeitig überall und nirgendwo.

Symbole stehen immer an einem bestimmten Ort, sie sind also lokalisiert. Die Zahl selber aber ist nicht-lokal, d.h. es gibt keinen Ort im Universum, an dem sich die Zahl befindet, sie befindet sich vielmehr überall. Es gibt sie auf der Erde, dem Mond und ebenso auf der Andromeda. Diese Nicht-Lokalität ist eine ganz elementare Eigenschaft der Objekte der platonischen Welt, und sie zeichnet sie insbesondere gegenüber den Objekten der physikalischen Welt aus, in der die Objekte örtlich definiert, d.h. lokalisiert sind.

Zeitlosigkeit

Mit der Zeit verhält es sich analog zum Ort:

1 plus 2 sind 3 – das ist wahr, und zwar gestern, heute, morgen und in alle Ewigkeit. Man kann die platonische Welt in diesem Sinn als einen Ort der ewigen Wahrheiten bezeichnen, ganz im Gegensatz zur physikalischen Welt, die dem steten Wandel unterworfen ist. Wenn es heute regnet, kann morgen die Sonne scheinen, 1 plus 2 hingegen ergibt an allen Tagen drei. Diese Zeitlosigkeit gilt für alle mathematische Aussagen, aber auch für ihre Objekte, wieder im Gegensatz zu den Objekten der physikalischen Welt: die Zahl 3 ist zeitlos, 3 Äpfel hingegen sind es nicht.


Dies ist ein Beitrag zur 3-Welten-Theorie.