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Logodynamik

Logodynamik

Was sind die Kriterien für eine korrekte Logik? Dieser Text handelt von den zwei Formen der Logik, der statischen und der dynamischen. Bekannt ist den meisten Wissenschaftlern die statische Form, welche sich hervorragend dafür eignet, Beweise zu führen. Demgegenüber steht die dynamische Form der Logik, welche es erst möglich macht, Beweise zu finden.

Wie in allen Gebieten der Physik zwischen Statik und Dynamik, zwischen Zuständen und Veränderungen unterschieden wird, ist es sinnvoll, auch im Bereich der Logik zwischen Statik – Logostatik – und Dynamik – Logodynamik – zu unterscheiden.

Wozu dient Logik?

Geht es bei Logik ums Denken? Das dachte ich jedenfalls früher. Logik sei die Grundlage des korrekten Denkens, die «Lehre vom richtigen Denken«. Beim näheren Blick aber zeigt sich, dass es bei dem, was als Logik bezeichnet und studiert wird, nicht ums Denken, sondern ums Beweisen geht. Die klassische formale Logik der Mathematiker untersucht Aussagen im Hinblick auf ihre Gültigkeit, also bezüglich ihrer formalen Widerspruchsfreiheit, ganz unabhängig vom Inhalt der Aussagen. Wenn die Aussagen formal zu keinem Widerspruch führen, sind sie wahr, andernfalls sind sie falsch. So können Beweise formal abgesichert werden. Die Logik der Mathematiker ist damit eine Wissenschaft des Beweisens – und nicht des Denkens.

Denn Denken ist weit mehr als Beweisen. Jeder Denkende weiss, dass er die Beweise zuerst finden muss. Die Suche dafür erfolgt in einem im Prinzip offenen Feld. Doch nicht jeder Fund ist hilfreich. Als nächstes muss der Denkende die gefundenen Beweise in einem zur Fragestellung passenden Kontext bewerten. Auch dies erfolgt in einem offenen Feld, denn nicht jeder sieht den Kontext gleich. Und jeder bewusst Denkende hat schon erlebt, dass sein Kontext sich ändert. Was geschieht mit den Widersprüchen, die sich aus unterschiedlichen Sichtweisen und Zielvorgaben ergeben? Wer hat dann recht? Wie geht der Logiker mit Widersprüchen um? Ist sein Typ Logik geeignet, mit wechselnden Verhältnissen und unklaren und offenen Situationen umzugehen?

Um im Alltag und in der Wissenschaft brauchbar zu sein, muss eine Logik des Denkens sich diesen Fragen auf eine konkrete Weise stellen, die gleichzeitig offen und formal ist. Die klassische Logik der Mathematiker ist zwar formal perfekt. Das reicht für formal korrekte Beweise. Doch die Beweise sind nur gültig, wenn der Kontext zutrifft und die Fragestellung sorgfältig geklärt ist. Kontext und Fragestellung bleiben ausserhalb der mathematischen Logik. Wir brauchen dazu mehr als eine Wissenschaft des Beweisens, sondern eine Logik, welche den offenen Kontext einbezieht. Wie finden wir eine solche Logik? Und wie unterscheidet sie sich von der klassischen mathematischen Logik?


Statik und Dynamik

In der Physik werden Zustände und Abläufe unterschieden. Während Zustände die Kräfteverhältnisse in einem bestimmten Moment beschreiben, beschreiben die Abläufe, was geschieht, wenn die Kräfte zu wirken beginnen und sich die Zustände ändern. So beschreibt die Elektrostatik die elektrischen Verhältnisse in einem bestimmten Moment und die Elektrodynamik, was geschieht, wenn Ströme zu fliessen beginnen. In der Statik spielt die Zeit keine Rolle, in der Dynamik hingegen schon; dort ist die Zeit das entscheidende Merkmal.

Genau gleich können wir das beim Denken beobachten.

Der entscheidende Schritt liegt deshalb in der Erkenntnis, dass es eine statische und eine dynamische Logik gibt. Die statische dient dazu, das gewonnene Denksystem widerspruchsfrei zu halten und – innerhalb der gesetzten Grenzen – Beweise zu führen. Doch das ist nicht alles, was Denken können muss. Aktives Denken muss diese Grenzen überwinden und sich in einer offenen Welt bewegen, um Beweise zu finden und diese in einem offenen Denkraum zu bewerten.

Dazu braucht es eine dynamische Logik. Beide, die statische wie die dynamische Logik machen Sinn. Doch erst wenn wir den sicheren Garten der statischen Logik verlassen, können wir anfangen, das reale Denken zu untersuchen.


Klassische Logik = Logostatik

Die statische Logik prägte das abendländische Geistesleben über mehr als zwei Jahrtausende. Sie findet sich bei den Syllogismen des Aristoteles, in der Scholastik des Mittelalters bis hin zur heute gültigen Prädikatenlogik der Mathematiker, der sogenannten Prädikatenlogik Ersten Grades (englisch: First Order Logic = FOL).

Alle diese Logiken, von den Syllogismen des Aristoteles bis zur FOL der modernen Mathematiker, sind genuin statisch. Sie zeichnen sich durch eine logische Geschlossenheit aus, was von Vorteil ist bezüglich der Geschlossenheit der Beweise, aber auch von Nachteil, weil die Geschlossenheit es nicht erlaubt, über die einmal getroffenen Definitionen hinaus zu denken. Bei diesen Systemen hat jede Aussage einen allgemein gültigen, absoluten Wahrheitswert; die Aussage ist entweder wahr oder falsch – und das darf sich nicht ändern, weil sonst das ganze Beweissystem zusammenbricht.

Mit anderen Worten: Das logische Gebäude der klassischen Logik ist grundsätzlich und zwingenderweise statisch. Die Mathematiker bauen darauf und nenen eine solche statische Logik monoton.

Monotonie bedeutet, dass eine Aussage einen nicht änderbaren – d.h. monotonen – Wahrheitswert hat. In einer geschlossenen Logik ist das zwingenderweise und auch ganz sinnvollerweise so. Doch sobald das Denksystem geöffnet wird, können die einzelnen Aussagen nicht mehr als monoton wahr oder monoton falsch deklariert werden. Wenn wir Aussagen unterschiedlich (=nonmonoton) bewerten wollen, begeben wir uns auf das Feld der dynamischen Logik. Denn mit jeder Änderung gibt es ein Vorher und ein Nachher. Mit der Nonmonotonie kommt automatisch die Zeit in die Logik.


Dynamische Logik = Logodynamik

Wenn eine Aussage einmal als falsch und einmal als wahr betrachtet wird, führt das zu einem Widerspruch. Gilt die Aussage nun?

Während solche Widersprüche in einem klassischen Logiksystem nicht geduldet werden können, sind sie in einem dynamischen System entscheidende Elemente im offenen Netzwerk der Aussagen. Genau so wie sie es in unserem Denken sind. Denn Widersprüche sind nichts anderes als Ausgangspunkte für unser Denken. Sie zwingen uns zum Beispiel, Beobachtungen, die nicht zueinander passen, genauer anzusehen. Wenn Aussagen einander widersprechen, wollen wir darüber nachdenken, was nun gilt. Widersprüche, in klassischer Logik verboten, sind in dynamischer Logik der eigentliche Ausgangspunkt des Denkens. Genauso wie in der Physik eine elektrische Spannung die Energie für den Strom liefert, so bildet ein Widerspruch beim Denken die Spannung, um weiter zu denken.

Weiterdenken heisst aber immer auch, offen zu sein für ganz neue Aussagen. Denken muss ergebnisoffen sein. Denken kann Aussagen je nach Kontext neu bewerten. Denken kann auch zur Erkenntnis führen, dass eine Frage im Moment unbeantwortbar ist. Auch darin unterscheidet sich die dynamisch Logik von der klassischen Logik.

Statische Logik definiert zuerst ihre «Welt», das heisst alle Elemente, die später, bzw. überhaupt verwendet werden dürfen. Das System muss geschlossen sein. Die klassische Logik verlangt eine klare Grenzziehung (Definition) um die Welt eines Aussagensystems herum, und dies, bevor Schlüsse gezogen (gedacht) werden können. Freies Denken kann aber nicht geschlossen sein. Wir können immer neue Denkobjekte, Begriffe und Gedanken einbeziehen, neue Differenzierungen für bekannte Objekte austesten, neue Gründe für widersprechende Thesen finden, und die gefundenen Gründe in unterschiedlichsten Kontexten neu bewerten. Mit anderen Worten:

→  Wir lernen  ←

Denken heisst lernen. Und Lernen verlangt ein dynamisches, d.h. offenes System. Ein Logiksystem, das die Art, wie wir Menschen denken, abbilden soll, muss offen sein. Es kann nicht statisch sein.


Logik und Zeit

Die Zeit ist ist ein schwieriges Thema in der formalen Logik, aber sie ist entscheidend. In den klassischen logischen Systemen wie den Syllogismen oder der First Order Logic gibt es keine Zeit. Alles was gilt, gilt immer. In einer dynamischen Logik hingegen ist das nicht möglich. Was heute als wahr angesehen wird, kann morgen als Irrtum erkannt werden. Ohne diese Möglichkeit gäbe es kein Lernen. Das dynamische System erkennt die Zeit als ein notwendiges und internes Element der Logik. Das ist eine Folge der Non-Monotonie, also der Tatsache, dass in einer dynamischen Denklogik, Aussagen ihren Wahrheitsgehalt – falsch oder richtig – ändern können müssen. Diese Änderung erfolgt in der Zeit. Deshalb ist die Zeit keine Variable wie in der klassischen Logik, sondern ein konstituierendes Element innerhalb der Logik. Und dieses Zeitelement greift ganz tief in den Mechanismus der dynamischen Logik, in den «Grundschalter» der Logik ein, nämlich in das IF-THEN:

Was viele nicht wissen ist, dass das IF-THEN  der klassischen Logik genau genommen keine Zeit kennt. Die Aussage des IF und diejenige des THENs gelten in der klassischen mathematischen Logik immer gleichzeitig. Wenn das IF gilt, gilt auch das THEN, zwingend und ohne irgendeinen Zeitabstand dazwischen. Das IF-THEN der dynamischen Logik hingegen hat immer einen Zeitbezug: Das IF ist stets vor dem THEN. Das ist übrigens auch in der Informatik so. Ein Computerprogramm schaut zuerst das IF an und bewirkt dann das THEN. Computerprogramme sind dadurch näher bei der dynamischen Logik als es die mathematische Logik der Bool’schen Algebra ist.

Ein statisches System kann Zeit zwar als eine Variable einbeziehen, wie irgendeine andere Variable. Doch damit wird die Zeit nicht zu einem inneren Element des Logikprozesses. Erst die dynamische Logik kann das, mit dem bewusstem Einbezug der Zeit in die Logik des IF-THENS. Der Zeiteinbezug führt zum Bruch der Monotonie, die in der statischen Logik noch als selbstverständlich angesehen wurde.

Dieser interne Zeiteinbezug unterscheidet die dynamische von der statischen Logik.


Fazit Logodynamik

Dynamische Logiksysteme unterscheiden sich von statischen durch folgende drei Eigenschaften:

  1. Non-Monotonie: Widersprüche im System sind erlaubt.
  2. Offenheit: Jederzeit können neue Elemente im System auftauchen.
  3. Systeminterne Zeit: Zwischen IF und THEN vergeht Zeit.

Die drei Eigenschaften hängen zusammen und bedingen sich gegenseitig. Erst dynamische Logiksysteme erlauben es, Denkvorgänge abzubilden.

Die Logodynamik untersucht und formalisiert solche dynamischen Systeme.


Erste eine dynamische Logik erlaubt es, Denk- und Informationsprozesse in einen realen Rahmen zu sehen. Mehr zum Thema Logik -> Übersichtsseite Logik


 

IF-THEN / statisch oder dynamisch?

Zwei Typen von IF-THEN

Viele glauben, dass das IF-THEN in der Logik eine klare Sache sei. Meiner Ansicht nach wird dabei aber oft übersehen, dass es vom IF-THEN zwei verschiedene Typen gibt. Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, ob das IF-THEN eine interne zeitliche Komponente besitzt oder nicht.

Dynamisches (reales) IF-THEN

Für viele von uns ist das IF-THEN dynamisch, d.h. es besitzt eine spürbare zeitliche Komponente. Bevor wir zum Schluss, d.h. zum THEN gelangen, schauen wir das IF genau an, d.h. die Bedingung, die anschliessend den Schluss erlaubt. Mit anderen Worten: Die Bedingung wird ZUERST angesehen, DANN kommt der Schluss

Das ist nicht nur im menschlichen Denken, sondern auch bei Computerprogrammen so. Computer erlauben die Kontrolle von ausgedehnten und komplexen Bedingungen (IFs). Diese müssen durch den Prozessor des Rechners im Memory abgelesen werden. Vielleicht müssen noch kleinere Berechnungen durchgeführt werden, die in den IF-Statements enthalten sind, und die Resultate der Berechnungen müssen dann mit den verlangten IF-Bedingungen verglichen werden. Natürlich brauchen die Abfragen Zeit. Auch wenn der Computer sehr schnell ist, und die Zeit, die für die Kontrolle des IFs benötigt wird, minimal ist, ist sie trotzdem messbar. Erst NACH der Kontrolle, kann der in der Computersprache formulierte Schluss, das THEN, ausgeführt werden.

Im menschlichen Denken, wie auch bei der Ausführung eines Computerprogramms, sind also das IF und das THEN zeitlich eindeutig getrennt. Das wird Sie nicht erstaunen, denn beides, der Ablauf des Computerprogramms wie das menschliche Denken sind reale Vorgänge, sie laufen in der realen, physischen Welt ab, und in dieser benötigen alle Prozesse Zeit.

Statisches (ideales) IF-THEN

Etwas mehr erstaunen wird Sie vielleicht, dass in der klassischen mathematischen Logik, das IF-THEN keine Zeit braucht. Das IF und das THEN bestehen simultan. Wenn das IF wahr ist, ist automatisch und sofort das THEN wahr. Eigentlich ist es sogar falsch, von vorher und nachher zu sprechen, da Aussagen in der klassischen mathematischen Logik immer ausserhalb der Zeit stehen. Wenn eine Aussage wahr ist, ist sie immer wahr, wenn sie falsch ist, ist sie immer falsch (=Monotonie, siehe vorhergehende Beiträge).

Das mathematische IF-THEN wird oft mit Venn-Diagrammen (Mengen-Diagrammen) erläutert. In diesen Visualisierungen ist das IF z.B. durch eine Menge repräsentiert, die eine Teilmenge der Menge des THEN ist. Es handelt sich für die Mathematiker beim IF-THEN um eine Relation, die vollständig aus der Mengenlehre abgeleitet werden kann. Dabei geht es um (unveränderbare) Zustände von Wahr oder Falsch, und nicht um Prozesse, wie beim Denken in einem menschlichen Hirn oder beim Ablauf eines Computerprogramms.

Wir können also unterscheiden
  • Statisches IF-THEN:
    In Idealsituationen, d.h. in der Mathematik und in der klassischen mathematischen Logik.
  • Dynamisches IF-THEN:
    In Realsituation, d.h. in real ablaufenden Computerprogrammen und im menschlichen Hirn.
Dynamische Logik verwendet das dynamische IF-THEN

Wenn wir eine Logik suchen, die der menschlichen Denksituation entspricht, dann dürfen wir uns nicht auf das ideale, d.h. das statische IF-THEN beschränken. Das dynamische IF-THEN entspricht dem normalen Denkvorgang besser. Die dynamische Logik, für die ich plädiere, respektiert die Zeit und braucht das natürliche, d.h. das dynamische, das reale IF-THEN.

Wenn Zeit eine Rolle spielt, und nach dem ersten Schluss die Welt anders aussehen kann als vorher, kommt es darauf an, welcher Schluss zuerst gezogen wird. Man kann nicht beide gleichzeitig ziehen – ausser man lässt zwei gleichzeitig ablaufende Prozesse zu. Die beiden parallel laufenden Prozesse können sich aber gegenseitig beeinflussen, was die Sache natürlich auch nicht einfacher macht. Die dynamische Logik ist aus diesem und vielen anderen Gründen wesentlich komplexer als die statische. Umso nötiger brauchen wir, um die Sache in den Griff zu bekommen, einen klaren Formalismus.

Statisches und dynamisches IF-THEN nebeneinander

Die beiden Arten des IF-THENs widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich und können durchaus koexistieren. So beschreibt das klassische, statische IF-THEN logische Zustände, die in sich geschlossen sind, und das dynamische beschreibt logische Vorgänge, die von einem logischen Zustand zum anderen führen.

Dieses Zusammenspiel von Statik und Dynamik ist vergleichbar mit dem Zusammenspiel von Statik und Dynamik in der Physik, z.B. mit der Statik und Dynamik in der Mechanik oder der Elektrostatik und der Elektrodynamik in der Elektrizitätslehre. Auch dort beschreibt der jeweils statische Teil die Zustände (ohne Zeit) und der dynamische die Änderung der Zustände (mit Zeit).


Dies ist ein Beitrag zur dynamischen Logik. Er wird fortgesetzt mit der Frage, was passiert, wenn zwei dynamische IF-THENs miteinander konkurrieren.


Erst eine dynamische Logik erlaubt es, Denk- und Informationsprozesse in einen realen Rahmen zu sehen. Mehr zum Thema Logik -> Übersichtsseite Logik