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Informationsreduktion 4: Framing

Framing macht den Unterschied

Aktuell wird der Framing-Effekt häufig erwähnt. Es geht bei dem Effekt darum, dass die gleiche Botschaft ganz unterschiedlich wahrgenommen wird, je nachdem, welche Zusatzinformationen mit der Botschaft mitgesendet werden. Diese zusätzlichen Informationen dienen dazu, der Botschaft den passenden Rahmen (Frame) zu geben, sodass die Empfänger der Botschaft entsprechend reagieren.

Auch wenn die eigentliche Botschaft neutral gesehen die gleiche wäre und die Zusatzinformationen der Wahrheit entsprechen, kann der Empfänger mit Framing gehörig manipuliert werden – nur schon durch die Auswahl der (an sich korrekten) Details. Framing wird selbstverständlich in der Werbung verwendet, ganz besonders aktuell und heikel ist aber das Verwenden von Framing in der politischen Berichterstattung.

Natürlich gehört zum Framing in Politik und Werbung immer die Wortwahl, die einen Fact mit den entsprechenden emotionalen Inhalten verbindet. Doch schon die simple Tatsache, welche Aspekte (Details) des Geschehens in den Vordergrund gerückt werden und welche in den Hintergrund, verändert das Bild, das sich der Empfänger von der Botschaft macht. Bei der Rezeption der Tatsache, dass viele Flüchtlinge/Migranten nach Europa wollen, kommt es zum Beispiel darauf an, welche der vielen Menschen man im Blick hat und auf welche der vielen Aspekte, Gründe, Umstände und Folgen ihrer Reise man das Hauptgewicht legt. Berichte über kriminelle Aktivitäten einzelner Migranten lassen in uns ein ganz anderes Bild entstehen als Schilderungen der unmenschlichen, unfassbar schrecklichen Bedingungen der Reise. Die Tatsache, dass Menschen kommen, ist ein Fact. Wie man aber den Fact bewertet, d.h. seine Interpretation, ist eine Sache der Vereinfachung, d.h. der Fact-Auswahl. Damit sind wir ganz klar beim Phänomen der Informationsreduktion angekommen.

Framing und Informationsreduktion

Die Realität enthält immer viel mehr Detailinformationen als wir verarbeiten können. Und weil wir deshalb immer eine Vereinfachung durchführen müssen, spielt die Auswahl der Information eine entscheidende Rolle: Was wird in den Vordergrund gerückt wird und was in den Hintergrund? Je nachdem verändert sich unsere Wahrnehmung und in der Folge auch unser Urteil. Dieses Phänomen der Informationsreduktion ist das gleiche wie bei der medizinischen Kodierung, wo auch die unterschiedlichsten Merkmale zur Kodezuweisung verwendet werden – oder eben nicht –  (siehe Beitrag Zwei Arten von Codierung-1). Die Reduktion und Selektion der Information findet ganz prinzipiell bei allen Wahrnehmungsprozessen statt. Wir müssen (um zu urteilen und zu handeln) stets vereinfachen. Die Selektion der Details macht unsere Wahrnehmung aus, und die Selektion ist nicht vom betrachteten Objekt abhängig, sondern vom Subjekt, das die Auswahl durchführt.

Verschiedene Interpretationen sind möglich (siehe früheren Beitrag)

Die Realität (oben im Diagramm) enthält alle Fakten, unsere Interpretation der Realität ist aber immer eine Auswahl aus den vielen Details der Fakten, und wir können dadurch zu unterschiedlichen Ansichten gelangen. Ich glaube, dass dieses Phänomen der Informationsreduktion (das Interpretationsphänomen) etwas Grundlegendes und Unausweichliches ist, und dass es an den unterschiedlichsten Orten eine wichtige Rolle spielt. Der Framing-Effekt ist nur eines, aber ein typisches Beispiel dafür.


Links zum Framing:
Spiegelbeitrag «Ab jetzt wird zurückgeframt» vom 22.2.2019
Wikipedia zum Framing-Effekt
Interview mit Kommunikationstrainer Benedikt Held


Die Phänomene Informationsreduktion und Selektion hängen eng zusammen. Damit beschäftigt sich der Vorbeitrag dieser Serie.

In der Fortsetzung dieser Serie geht es um Informationsreduktion in der Physik.


Zum Thema Informationsreduktion finden Sie hier die Übersichtsseite.