Ausgangswunsch: Wechsel des Grundtons während eines Musikstücks
Im Vorbeitrag haben wir gesehen, dass eine reine Stimmung beim Wechsel des Grundtons nicht mehr rein ist, da sich gewisse Intervalle verändern. Je entfernter die Tonart ist, umso mehr Töne stimmen nicht mehr mit den errechneten, d.h. resonanten Tonhöhen überein..
Wenn nun die die Frequenzen der Tonleitertöne ganz leicht verschoben – d.h. temperiert – werden, dann kann auch in benachbarte Tonarten gewechselt, d.h. moduliert werden. Bei der gleichstufig temperierten Stimmung sind sogar Wechsel zu jedem beliebigen Grundton möglich und diese Stimmung hat sich seit dem Barock in Europa erfolgreich durchgesetzt.
Wie die gleichstufige Temperierung funktioniert
In Abb. 1 sehen sie die resonanten, d.h. reinen Intervalle zwischen einem Grundton und seiner Oktave.
Abb. 1: Resonante Intervalle über dem Grundton C in logarithmischer Darstellung
In der obenstehenden Abbildung habe ich mit Cis und Fis auch die indirekt resonanten Töne aufgenommen und somit die Lücken im Band der zehn meistresonanten Intervalle geschlossen. In Abbildung 1 fällt auf, dass die zwölf Töne zwar nicht regelmässig, doch annähernd gleichmässig über die Oktave verteilt sind. Könnte man das musikalisch ausnützen?
Abb. 2: Reine (blau) und gleichstufige (rot) Verteilung der 12 Tonleitertöne
Abbildung 2 zeigt den Vergleich einer natürlichen, d.h. reinen Verteilung der Tonleitertöne mit einer völlig gleichmässigen. Wie Sie sehen, sind die Abstände zwar sichtbar, doch auch nicht allzu gross. Die unregelmässigen, reinen Töne werden leicht verschoben und wir erhalten so eine völlig gleichmässige Verteilung der Töne. Diese leicht verschobene, aber dafür regelmässige Stimmung wird gleichstufig temperierte Stimmung genannt.
Weil die Abstände der zwölf Töne exakt gleich sind, ist es egal, auf welchem Grundton wir die Tonleitern aufbauen:
C-Dur: C – D – E – F – G – A – H – C
Es-Dur: Es – F – G – As – B – C – D – Es
Die relativen Abstände zwischen den einzelnen Tönen sind – wie Sie leicht überprüfen können – bei den temperierten Frequenzen nun genau gleich, egal ob in C-Dur, Es-Dur oder irgend einer anderen Tonart.
Die gleichstufig temperierte Stimmung ist eine radikale Lösung und als solche der Endpunkt einer historischen Entwicklung über mehrere Zwischenlösungen (Werckmeister-Stimmung u.v.a.). Diese historische Entwicklung und die Details der praktischen Ausführung sind im Internet und in der Literatur ausführlich dokumentier und für Interessierte leicht auffindbar. Was uns hier interessiert sind hingegen zwei ganz andere Fragen:
- Weshalb funktioniert die Temperierung, obwohl wir dann für die Resonanzen keine genauen Brüche mehr vorfinden?
- Was sind die kompositorischen Konsequenzen?
Mehr dazu in den folgenden Beiträgen
Die ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern.
Danke für Ihre nachvollziehbare Darstellung.
Ich bin als Musik-Neuling auf das Thema der Abweichung der Töne abhängig vom Grundton im Gespräch gebracht worden und war von der Erklärung meines Gesprächspartners verwirrt. Ich bin gespannt, was mich nach den ersten Entdeckungen bei dem Thema und seinen Bezügen hier, bei Ihnen, und sonst noch erwartet.
Vielen Dank für das freundliche Feedback. Wir kennen uns nicht, deshalb freut mich Ihr Kommentar umso mehr.
Das Thema Resonanz verbindet für mich die Themen Musik und Physik. Das ist spannend, aber auch herausfordernd, weil Musiker und Naturwissenschaftler nicht unbedingt die gleichen Voraussetzungen haben. Ich schreibe für beide, mit dem Risiko, beide Seiten mit jeweils ungewohnten Überlegungen abzuschrecken. Der Erkenntnisgewinn liegt jedoch in der Verbindung der beiden Welten – eine Resonanz also auch hier.
Für einen einfacheren Einstieg habe ich auf dieser Website eben eine kurze Übersicht geschrieben, den Blogbeitrag «Was ist Resonanz» (publiziert 2.11.2021).