Worum geht es?
Nach der 3-Welten-Theorie spielt die Mathematik (ideale Welt) bei physikalischen Prozessen (physikalische Welt) eine Rolle. Ohne unser subjektives Empfinden (mentale Welt) würden wir aber von all dem nichts mitbekommen. Wie diese drei sehr unterschiedlichen Welten in der Realität zusammenkommen, untersuche ich am Beispiel der Tonleitern. Hier gibt es einige Rätsel, z.B. weshalb die menschlichen Kulturen tausende von verschiedenen Tonleitern hervorgebracht haben, aber jede davon die Oktave verwendet.
Diese Konstanz der Oktave kann einfach durch Resonanz erklärt werden, die im Fall der Oktave besonders auffällig ist, weil sie einem mathematischen Verhältnis 2:1 entspricht. Der höhere Ton der Oktave schwingt mit doppelter Frequenz im Vergleich zum Grundton. Ein augenfälliges Beispiel dafür, wie Physik, Mathematik und subjektives Empfinden zusammenkommen.
Im Vorbeitrag habe ich untersucht, ob wir mit rein mathematischen Überlegungen weitere Intervalle finden können, die in realen Tonleitern vorkommen. Dabei finden wir mit wenigen mathematischen Kriterien einen ersten Pool von Intervallen, die sehr «resonanzaffin» sind, d.h. Tonleiter-Ton und Grundton stehen in einem Frequenzverhältnis, das sehr leicht zu einer kräftigen Resonanz führt.
Kriterien für Tonleitertöne
1. Tonbereich
Alle mit bekannten Tonleitern bewegen sich im Bereich einer Oktave. Das ist schon verblüffend und wir haben gesehen, dass alle drei Welten am Zustandekommen beteiligt sind.
Entscheidend für die Tonleitertöne sind ihre Frequenzen (f). Dabei kommt es nicht auf die absolute Höhe der Frequenz an, sondern nur auf die relative im Vergleich zu anderen Tönen. In der Folge bezeichnet die 1 den Grundton und die 2 die Oktave davon. Alle Tonleitertöne müssen sich zwischen dem Grundton und der Oktave befinden, mathematisch gesehen bedeutet das für die relative Frequenz f(TL) des Tonleitertons bezogen auf den Grundton:
1 ≤ f(TL) ≤ 2
2. Resonanz
Die physikalische Bedingung für Resonanz ist, dass zwei Frequenzen in einem «rationalen» Verhältnis stehen. «Rational» bedeutet in der Zahlentheorie eine Zahl, die als Bruch von zwei ganzen Zahlen geschrieben werden kann. Mit anderen Worten: f2 = m/n f1 (m und n sind ganze Zahlen, f1 und f2 sind die beiden Frequenzen). Wir stellen nun die Hypothese auf, dass ein Tonleiterton (TL) zum Grundton (GT) vorteilhafterweise in einem Verhältnis (m/n) stehen, in dem sich eine Resonanz entwickeln kann. Mathematisch heisst das:
f(TL) = m/n f(GT)
Diese Bedingung hat mit der physikalischen und der mathematischen Welt zu tun und ist unabhängig von unserem subjektiven und kulturellen Empfinden eine generell gültige physikalische Bedingung für Resonanz, auch im nicht-akustischen Bereich.
Wenn das Rechnen mit Intervall-Brüchen für Sie neu ist, empfehle ich Ihnen die Adnexe, in denen die Rechenvorgänge und ihre Hintergründe detailliert beschrieben sind.
3. Kräftige Resonanz
Eine Resonanz entsteht nicht immer gleich schnell und gleich kräftig. Einige Tonleitertöne können deshalb schneller und kräftiger eine Resonanz entwickeln als andere. Ich stelle die Hypothese auf, dass die Resonanz umso stärker ist, je kleiner m und n sind und habe, ausgehend von der Zahl 1, untersucht, was für Intervalle wir mit möglichst kleinen Werten für m und n erhalten.
Überraschenderweise zeigt es sich, dass alle kleinen Nenner bis 5 nur Tonleitertöne ergeben, die wir in unseren traditionellen europäischen Tonleitern finden. Bei der Suche wird auch sichtbar, dass es nicht allein auf die absolute Höhe von m und n ankommt, sondern vielmehr auf die Primzahlen, die bei der Primzahlzerlegung von m und n entstehen. Hier zeigt sich erneut, dass 5 bei den Primzahlen auch für den Zähler die Grenze ist. In diesem Sinn sind 6, 8 und 9 als Nicht-Primzahlen zerlegbar (6=2×3, 8=2x2x2 und 9=3×3) und für Resonanzen brauchbar. Die 7 aber kann als Primzahl nicht weiter zerlegt werden und ist deshalb für m und n in der Praxis bereits zu hoch.
m und n sollen möglichst klein sein, präziser:
Bei der Primzahlzerlegung von m und n soll 5 die höchste Primzahl sein.
Weshalb die Primzahlzerlegung? – Der Tonleiterton steht nicht allein da, d.h. er soll nicht nur eine Resonanz zum Grundton haben, sondern auch zu anderen Tonleitertönen. Dabei entstehen zusammengesetzte Resonanzen (Brüche), bei denen oft in Zähler und Nenner gekürzt werden kann. Dadurch wird aus einer 8 schnell eine 4, aus der 15 eine 3 und wir haben wieder sehr kleine m und n. Beispiele werden folgen.
4. Weitere Kriterien
Die Resonanz ist nicht die einzige Bedingung für attraktive Tonleitern. Musiker und Zuhörer müssen die Töne ja auch unterscheiden können. Das ist einfacher, wenn es nicht zu viele Töne sind und wenn sie nicht zu nahe beieinanderliegen. Dies sind keine mathematischen Bedingungen, sie haben auch nichts mit der Resonanz zu tun. Der Ursprung dieser Forderung an die Tonleiter hat mit unserer Rezeption zu tun, also mit dem was wir wahrnehmen können – also unserer mentalen Welt. Unsere Wahrnehmung stützt sich dabei auf die Physik unseres Innenohrs und die Physik unseres Gehirns. Es handelt bei diesen Kriterien also um eine Forderung aus der mentalen Welt, gestützt auf die physikalische. An der Entstehung der vielen tausend verschiedenen Tonleitern sind offensichtlich alle drei Welten beteiligt. Nicht resonanzbedingten Kriterien sind:
4a) Die Anzahl der Tonleitertöne darf nicht zu hoch sein.
4b) Die Tonleitertöne dürfen nicht zu nahe beieinander liegen.
Weder die Anzahl der Töne, noch ihr Minimalabstand sind in jeder Kultur gleich. In der Musik gibt es neben der Resonanz weitere Prinzipien, nämlich das der Interferenz und das Höher/Tiefer-Prinzip. Wenn Töne sehr nahe beieinanderliegen, können bei entsprechender Schulung durch die erlebte Kultur gerade sehr engliegende Töne interessant werden. Allerdings geschieht dies nicht über den gesamten Oktav-Umfang der Tonleiter. Denn wenn die Töne sehr nahe beieinanderliegen, darf die Gesamtzahl der Töne in der Leiter trotzdem nicht überhand nehmen. Zwischen anderen Tönen muss dann der Abstand auch wieder einmal grösser sein. Ein Tonleiter mit Vierteltönen über die ganze Oktave ist denkbar, wird sich in der Praxis aber kaum durchsetzen.
Neben den Interferenzen und dem Höher-Tiefer-Prinzip gibt es ein weiteres Prinzip, das Abwechslungs-Prinzip. Dieses ist weder mathematisch noch physikalisch, sondern nur mental begründbar. Wenn nämlich alles gleich ist, z.B. die Abstände in der Tonleiter, dann wird es langweilig. Deshalb empfinden wir z.B. die Ganzton-Tonleiter, welche aus lauter gleichen Intervallen besteht, als nicht besonders spannend. Die gleiche Ganzton-Tonleiter kann aber in einer Mischung mit anderen, variantenreicheren Leitern gerade einen interessanten Kontrast setzen. Musikstücke hingegen, die nur Ganzton-Tonleitern verwenden würden, wären nicht lange interessant.
Wir haben somit ein weiteres nicht-resonanzbedingtes Kriterium:
4c) Die Abstände in der Tonleiter sollen nicht alle gleich sein.
Grundton-Prinzip: Der Grundton ist der Ton, der die Tonleiter zusammenhält. Beim Abschnitt über die Kirchentonarten werden wir näher darauf eingehen. Als Folge des Grundton-Prinzips werden wir die Tonleitertöne stets auf den Grundton beziehen.
4d) Wir vergleichen alle Tonleitertöne über den Grundton.
Mit diesen Bedingungen werden wir unseren Pool von Intervallen aus dem Vorbeitrag sichten und erste Tonleitern herausfiltern. Nicht überraschend sind es solche, welche nicht nur mathematisch sehr einfach gebaut sind, sondern weltweit vorkommen. Es handelt sich um gewisse Pentatoniken, die nicht nur rund um den Globus in Reinform gebräuchlich, sondern auch in etwas komplexeren Tonleitern, z.B. unserer Standard-Durtonleiter als Grundgerüst mitenthalten sind. Zuerst schauen wir die resonantesten Tonleitern an
Die ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern.
Hallo Herr Straub,
habe mich mit Interesse durch Ihre Seiten geklickt. Das Thema Stimmungssysteme und Intonation beschäftigt mich schon seit langem, was sich auch in meinem Buch „Warum sinkt mein Chor?“ niederschlägt:
https://buchshop.bod.de/warum-sinkt-mein-choro-thomas-schuster-9783754307816
Besonders lesenswert in dem Zusammenhang ist übrigens die „Praktische Intonationslehre“ von Prof. Doris Geller:
https://www.amazon.de/Praktische-Intonationslehre-f%C3%BCr-Instrumentalisten-S%C3%A4nger/dp/3761812655
Auf Ihrer Seite finden sich einige für mich interessante Aspekte, z.B. der Ansatz, Tonleitern aus möglichst konsonanten (Sie sagen dazu resonant, dazu unten mehr) Intervallen zu konstruieren, unabhängig von der Harmonik. Die Vermeidung der Zähler 7 und 11 finde ich hierbei einen interessanten Aspekt.
Ich beschäftige mich gerade auch theoretisch mit den Stimmungssystemen, unter anderem damit, in welchem Fall man wie stark Töne in der Intonation anpassen muss, um konsequent in der reinen Stimmung zu bleiben. Theoretisch geht das so lange gut, bis man einmal um den Quintenzirkel herumläuft, aber ohne enharmonische Verwechslung kann man für jeden Ton einer Dur-Moll-tonalen Komposition die Tonhöhe einwandfrei bestimmen (natürlich nur nach harmonischer Analyse). Ernste Probleme bekommt man z.B. bei der Umdeutung des verminderten Dominantsept-Akkords, z.B. h-dim in C-Dur als Stellvertreter der Dominante, wenn man ihn in gis-dim umdeutet (Dinge die seit Mozarts Zeiten üblich sind) und auf diesem Weg „nur“ in die parallele Moll-Tonart a-Moll statt in die Tonika C-Dur auflösen will. In dem Fall sind Anpassungen der Tonhöhe um 41 Cent (die „kleine Diesis“, fast ein Viertelton!) nötig, um konsequent in der reinen Stimmung zu bleiben. Und das ohne jede Modulation! Ich überlege, ob ich solche Überlegungen in eine zweite Auflage meines Buches aufnehme, um der immer noch verbreiteten Auffassung, dass die reine Stimmung „natürlicherweise“ passiere, entgegenzuwirken.
Noch einige kritische Anmerkungen zu Ihrer Webseite, in aller Vorsicht vorgetragen, vielleicht verstehe ich auch manches nicht vollständig, was Sie schreiben. Über Ihre Kommentare würde ich mich freuen!
Sie beschreiben völlig korrekt, was Resonanzeffekte sind, und ebenso richtig, warum leicht verstimmte Töne ebenfalls Resonanzeffekte verursachen können. Bei Ihrem Konstruktionsprinzip für attraktive Tonleitern definieren Sie aber einfache Zahlenverhältnisse als «Resonanz», was meiner Meinung nach unzutreffend ist. Die kleine Terz und die Quarte haben einfache Zahlenverhältnisse, kommen aber als Intervalltöne bezogen auf den Grundton oder dessen Oktaven in der harmonischen Obertonreihe nicht vor. D.h. die beschriebenen Resonanzeffekte z.B. bei Klaviersaiten werden niemals kleine Terzen oder Quarten anregen. Die einfachen Frequenzverhältnisse führen zu hoch liegenden Differenztönen, was u.a. laut Hindemiths Unterweisung im Tonsatz der Grund für das angenehme („konsonante“) Hörempfinden ist. Daher wäre die Bezeichnung „Konsonanz“ statt „Resonanz“ meiner Meinung nach sinnvoller.
Anmerkungen zu Ihrer Konstruktion der kleinen Sekunde und des Tritonus in verschiedenen Tonhöhen: Aus Sicht der reinen Stimmung kommen nur bestimmte Ihrer Lösungen in Frage, solange man nicht moduliert. Unter Tonalität muss man immer Dur und Moll gemeinsam verstehen. Der Geschlechtswechsel ad hoc ist spätestens seit Mozart üblich, siehe z.B. der erste Gesangseinsatz der Solisten in Mozarts Krönungsmesse im Kyrie. Somit kann ich aus Sicht der C-Dur / c-Moll Tonalität alle Tonhöhen definieren, die entweder …
… leitereigene Töne von Dur oder natürlich Moll sind:
c, d, es, e, f, g, as, a, b, h
Diese lassen sich aus Ober- / Unterquinten des Grundtons und Terzen berechnen. Oder solche die …
… zu den aus den leitereigenen Tönen gebildeten Dreiklängen Kadenzen bilden. Denn solche Kadenzen kann man noch guten Gewissens als „unmodulierte“ Musik betrachten. D.h. insbesondere sind Zwischendominanten (immer mit Dur-Terz) und Moll-Subdominanten (mit Moll-Terz, auch bezogen auf Dur-Akkorde) stellen das Material dar, das konstruiert werden kann. Somit die Töne
cis (Zwischendomimante nach d-Moll)
dis (Zwischendomimante nach e-Moll)
fis (Zwischendominante nach G-Dur oder g-Moll)
gis (Zwischendominante nach a-Moll)
des (Moll-Subdominante zu F-Dur)
fes (Moll-Subdominante zu As-Dur)
ges(Moll-Subdominante zu B-Dur)
ces (Moll-Subdominante zu Es-Dur)
Das sind 18 verschiedene Töne, die ohne Modulation gebildet werden können.
Hinzu kommt ein neunzehnter, da das d entweder dominantisch (Quinte über G) oder subdominantisch (Sexte über F) aufgefasst werden kann.
Demnach fallen von Ihren hergeleiteten Halbtönen und Tritoni nur jeweils 2 ins Raster der harmonischen C-Dur- / c-Moll Tonalität, nämlich
– cis 25/24
– des 16/15
– fis 45/32
– ges 64/45
Noch eine kritische Anmerkung zu Ihrer Aussage, das pythagorerische Komma sei in der Inkompatibilität von Addition und Multiplikation begründet. Das halte ich für falsch. Addition und Multiplikation sind mitnichten inkompatibel, sondern über den Logarithmus wird ja gemäß log (a*b) = log(a) + log(b) aus dem einen das andere. Unabhängig davon, ob ich das pythagoreische Komma aus Frequenzverhältnissen herleite ((3/2)^12 ist nicht gleich 2^7), oder ob ich in Halbtönen und Cent rechne (Die reine Quinte ist 7.02 Halbtöne über dem Grundton und nicht 7), ergibt sich das Komma immer gleich. Das Komma liegt ganz einfach in dem Wunsch begründet, die Oktave in 12 gleiche Halbtöne zu teilen, wobei die reine Quinte 7 Halbtöne einnehmen soll. Dieser Wunsch entspricht aber leider nicht der Realität.
Auf Ihre Kommentare, insbesondere zu meiner Verwirrung über „Resonanz“ und „Konsonanz“ bin ich gespannt.
Viele Grüße
Thomas Schuster
Sehr geehrter Herr Schuster
Vielen Dank für Ihren Kommentar! Besonders interessant war für mich neben Ihren kritischen Anmerkungen Ihr Hinweis auf Hindemith.
Drei Welten:
Ich möchte diese drei Welten auseinander halten, die man nicht verwechseln sollte, wenn man unser Thema diskutiert. Über die drei Welten bin ich auch zur Frage des Entstehens der Tonleitern gelangt, als Pianist, angeregt durch einen Gedanken von Roger Penrose, der die drei Welten immer wieder thematisiert hat.
Ich gehe davon aus, dass wir Menschen bei aller Verschiedenheit in nur einer Welt leben, die allerdings viele Aspekte und Perspektiven hat. Die drei Welten nach Penrose hängen zusammen, d.h. sie sind gleichzeitig am gleichen Ort für die gleiche Sache aktiv. Sie verschränken sich auf komplexe Weise ineinander.
Deshalb war es für mich eine nachhaltige Erkenntnis, zu sehen, wie sich diese drei Welten im Bereich der Musik treffen.
Die drei Welten sind:
– M: Mathematik
– P: Physik und
– S: Subjektives Empfinden.
Alle drei Welten treffen sich in der Musik und das macht Musik so integrierend und faszinierend.
Nun zu einzelnen Punkten, die mir zu Ihrem ausgezeichneten Text einfallen:
Hindemiths Unterweisung im Tonsatz:
Ich hatte die Theorie Hindemiths nicht gekannt, da meine klassischen Harmoniekenntnisse bei Ravel und vor der 12-Ton-Musik aufhören. Im Jazz hat sich die Harmonielehre nach Ravel weiter entwickelt, eine Entwicklung, die stets in der Praxis der Musik stattfand, so wie auch Hindemith seine Theorie aus der musikalischen Praxis heraus entwickelt hat.
HIndemith ist wirklich interessant und ich kann mich nun auf eine Autorität beziehen, die mir bisher kaum bekannt war. Es gibt Ideen, bei denen wir für überraschenderweise völlig übereinstimmen und solche, wo ich denke, dass man die Welt der Physik noch besser einbeziehen könnte.
Das wäre meine Kritik an Hindemith. Ich glaube auch, dass die rechnerischen Ableitungen bei ihm immer noch zu kompliziert und theoretisch sind. Das geht m.E. einfacher und direkter – wenn man die Welt der Physik noch besser einbezieht.
Hingegen ist sein Ziel, eine Brücke zwischen die beiden Welten M und E zu bauen, vorbildlich und die Ausgangslage, die er beschreibt, auch für mich die gleiche: Nämlich die Suche nach den ’natürlichen› Tonleitern, bzw, nach den Gesetzen, die sie regeln. Und für ihn wie für mich müssen die Tonleitertöne natürlich innerhalb einer Oktave liegen.
Das ist die Ausgangslage, komplett identisch. Auch seine Beurteilung der 12-Ton Musik als rein rheoretisches Konstrukt teile ich völlig.
Wo liegen nun die Unterschiede?
Konsonanz und Resonanz
Hindemith betont die Konsonanz, während für mich die Resonanz das entscheidende Moment ist.
Konsonanz gehört in die Welt der Empfindung (S-Welt). So nehmen wir die Intervalle wahr. Konsonanz ist aber keine Erklärung für die physikalische Ursache des Phänomens, sie bezeichnet nur ihre Wirkung auf uns. Diese ist natürlich wichtig und zeigt den subjektiven ‹S-Teil› des Phänomens.
Musik entsteht bei vielen Musikern im Kopf und wir können uns eine Musik ganz ohne Physik vorstellen, quasi reine Mathematik, reine ‹Sphärenmusik›. Diese Abgehobenheit (M-Welt) gehört genauso zur Musik wie ihr lebendiger Charakter in der realen Aufführung. Erst die Praxis in der Live-Situation erbringt das volle Wirken der Musik und da gehören alle drei Welten dazu. Gerade Hindemith hat das ja thematisiert in seiner Ablehnung der völlig verkopften 12-Ton Musik.
Zur Realität der musikalischen Praxis gehört neben dem Empfinden aber auch die Physik. Und hier ist es die Resonanz, welche die Dinge erklärt. Die Resonanz liegt allem Klingen zugrunde und ermögicht erst das komplexe Geschehen in der realen Musikpraxis.
Zur Resonanz gibt es nun sehr viel Interessantes zu sagen. Ich denke, dass wir dabei erkenntnismässig grosse Schritte machen können und bin dabei, dieses Feld weiter zu studieren und Resonanz noch klarer und hoffentlich auch verständlich zu beschreiben. Dabei ist Ihre Kritik sehr hilfreich, denn sie hilft mir, die Erkenntnisse zur Resonanz noch klarer zu herauszuschälen.
Mit bestem Dank für Ihre Hinweise!
Hans Rudolf Straub
(Wird fortgesetzt).