Standard-Pentatoniken

Wie wir im Vorbeitrag gesehen haben, bilden die Töne C – D – E – G – A – C die Standard-Dur-Pentatonik.

Insgesamt lassen sich mit den einfachen Kriterien für resonante Tonleitern noch vier weitere Pentatoniken bilden. Diese fünf Pentatoniken sind die fünf Tonleitern, welche nach unseren mathematischen Kriterien unter allen Tonleitern am leichtesten Resonanzen unter allen ihren Tönen erlauben.

Wir werden später sehen, dass wir mit unserem Pool der neun am stärksten resonanten Töne alle traditionell in Europa gebräuchlichen Tonleitern bilden können. Bei den Heptatoniken, z.B unserem diatonischen Dur, sind jedoch gewisse Töne miteinander schlecht resonant, was musikalisch eigentlich interessanter ist, da dadurch eine natürliche Struktur innerhalb der Tonleitertöne entsteht.

Die Pentatoniken hingegen haben keine «falschen» Töne, wie immer man sie mischt. Es gibt bildlich gesprochen keinen Widerstand, welche Töne man auch zusammen erklingen lässt.

Die fünf Pentatoniken sind:
(auf Basis C)

C –  D  –  E  –  G  –  A  –  C

C –  D  –  F –  G  –  A  –   C

C – Eb – F –  G   – Bb  – C

C – Eb – F –  Ab – Bb  – C

C – D  –  F –  G   – Bb  – C

Die gleichen Töne in Brüchen:
(Grundton = 1)

1 – 9/8 – 5/4 – 3/2 – 5/3 – 2

1 – 9/8 – 4/3 – 3/2 – 5/3 – 2

1 – 6/5 – 4/3 – 3/2 – 9/5 – 2

1 – 6/5 – 4/3 – 8/5 – 9/5 – 2

1 – 9/8 – 4/3 – 3/2 – 9/5 – 2

Für die Kalkulation nehme ich an, dass alle Töne gleichzeitig und innerhalb einer Oktave erklingen, mit dem jeweiligen Grundton als tiefsten Ton. Ich berechne also die Intervalle von jedem Ton zum Grundton. Dann schaue ich die Nenner aller Intervalle an und suche das kleinste gemeinsame Vielfache (kgV) dieser Nenner. Dieses zeigt an, wie leicht zwischen allen Tönen Resonanzen entstehen können:

Tabelle 1: Schwingungsverhältnisse von 5 Standard-Pentatoniken

Wie ist Tabelle 1 zu lesen? 

Ich habe in den verschiedenen Pentatoniken gleiche Intervalle in die gleiche Spalte gegeben. Das führt zu den Löchern in der Tabelle. So hat die Dur-Pentatonik keine Quart und keine Sept. Des Weiteren habe ich Tönen mit dem gleichen Nenner im Bruch die gleiche Farbe gegeben.

Was zeigen die Farben? – Gleiche Nenner bedeuten bekanntlich, dass die beiden Töne besonders resonant sind, weil bei der Berechnung ihres Frequenzverhältnisses die beiden Nenner sich beim Zusammenklingen  sich «wegkürzen». Das führt zu besonders einfachen, d.h. besonders resonanten Verhältnissen zwischen den Tönen gleichen Nenners. Für Sekunden, grosse Terzen und Quinten habe ich drei verschiedene Grüntöne gegeben. Die Nenner sind nicht gleich, basieren aber immer auf der Primzahl 2, sodass mindestens ein Kürzen mit zwei immer möglich ist. Die verschiedenen Grün mischen sich deshalb immer sehr gut.

Mathematisch gesehen: Mit 8 hat die grosse Sekunde den grössten Nenner aller Intervalle im Pool. Doch das ist kein Problem. 8 ist keine Primzahl, sondern 23, genauso wie der Nenner der grosse Terz 4= 22 ist. Wenn wir nun die Quint zusammen mit der grossen Sekunde erklingen lassen, ist das Verhältnis der beiden Töne 3/2 : 9/8 = 3×8 / 2×9 = 4/3, also eine Quart. Die Quart ist das drittresonanteste Intervall, das innerhalb einer Oktave möglich ist, eine grosse Sekunde und eine Quint sind deshalb perfekt resonant. Das Kürzen erweist sich als wirksam.

Weiter zeigen die Farben in Tabelle 1 auch die verschiedenen Formen von Terz und Sext an. So ist die 5/4-Terz die Durterz und die 6/5 Terz die Mollterz.

Bei den Tonleitern geht es um das Intervall des Melodietones zum Grundton, aber auch um das Verhältnis der Melodietöne untereinander. Das kgV ist ein Indikator dafür, wie naheliegend hier Resonanzen sind. Je tiefer das kgV, umso resonanter ist die Gesamttonleiter. Allerdings kann man auch heikle Töne auslassen, bzw. als speziellen Akzent in einer Melodie einsetzen. Bei den Standard-Pentatoniken mit ihren tiefen kgVs ist das zwar kaum möglich.

Wie unterscheiden sich die fünf Pentatoniken?

Dur und Moll

In der sogenannten Funktionsharmonik, einer speziellen, relativ späten, aber bahnbrechenden europäischen Erfindung, spielt die Terz eine wichtige Rolle. Ob Dur oder Moll steht als Frage immer im Raum. Wir gehen an dieser Stelle (noch) nicht auf die Funktionsharmonik ein, können aber unsere fünf Pentatoniken auch unter diesem Terz-Aspekt ansehen. Dabei sehen wir, dass wir eine Dur-Pentatonik (mit Dur-Terz) und zwei Moll-Pentatoniken (mit Moll-Terz) haben.

Die beiden Moll-Pentatoniken unterscheiden sich darin, dass eine keine Quint hat. Obwohl bei beiden das kgV gleich und tief ist, ist das Fehlen der Quint musikalisch (und resonanzmässig) ein grosses Handicap, weshalb die Mollpentatonik ohne Quint kaum gebräuchlich ist. Unsere übliche Moll-Pentatonik ist diejenige mit der Quint.

Wenn Sie Tabelle 1 ansehen, sehen Sie sofort, den Farbunterschied: Die Moll-Pentatonik hat rötlich gefärbte Töne (Nenner 5), die Dur-Pentatonik hingegen nicht. Die jeweilige Terz zieht weitere Intervalle mit dem gleichen Nenner quasi an. Das ist resonanzmässig begründet. Gleiche Nenner sind Garanten für eine starke Resonanz.

Sus

Das Wort «Sus» kommt von «suspended forth», deutsch «hängende Quarte». Woher kommt der Ausdruck? – In der klassischen europäischen Musik, d.h. in der Funktionsharmonik, ist die Terz entscheidend. Ein Akkord, der keine Terz, dafür die Quart enthält, ist «hängend», das heisst, er muss erst noch aufgelöst werden, die Quart wird als Halbton-Vorhalt gesehen und muss sich zur grossen Terz auflösen. In anderen Stilen, im Jazz, aber auch in der moderneren Pop-Musik, ist ein Sus-Akkord ein Akkord wie jeder andere, eine Farbe wie Moll oder Dur. Auch Sus-Tonleitern gibt es, in der Weltmusik wie auch im Jazz. Die Quart (4/3) ist nach Oktave und Quint das am stärksten resonante Intervall.

Wieder gibt es zwei Formen von Sus-Pentatoniken. Das hohe kgV von 120 der einen Pentatonik rührt daher, dass sie sowohl eine Sekunde (Nenner = 9) wie eine kleine Sept (Nenner = 5) enthält. Hier ist kein Kürzen mehr möglich (wie Sie bei der Berechnung des kgVs selber feststellen können). Die Sus-Pentatonik mit der Sext hingegen hat ein anderes Problem: Quart und Sext bilden mit dem oberen Grundton einen Durakkord (4/3 – 5/3 – 6/3 →4-5-6). Dieser Durakkord auf der Quart ist extrem resonant und wird dadurch so dominant, dass die Tonleiter leicht als Dur-Pentatonik missverstanden werden.

Welche Pentatoniken sind gebräuchlich?

Wegen den oben erwähnten Schwächen der einen Moll und der beiden Sus-Pentatoniken sind eigentlich nur die Dur-Pentatonik und die Moll-Pentatonik mit der Quinte gebräuchlich. Diese beiden Pentatoniken aber sind ubiquitär verbreitet und können ganz leicht gesungen werden. Sie können aber auch auf eine wohlklingende Weise mit anderen Tonleitern/Akkorden verbunden werden, was musikalisch besonders interessant ist. Allein klingen sie etwas banal, in Kombinationen aber zeigen sie ihre ganze Stärke. Für Musiker sind sie perfekte Bausteine.

Zur Fortsetzung schauen wir die Durtonleiter an. Wie resonant ist sie?


Die ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern.


 

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