Die platonische Welt

Warum ‹platonisch›?

Penrose bezeichnet eine der drei Welten in der Drei-Welten-Theorie als platonisch. Weshalb?

Platon

Der reiche Athener Bürger Platon war ein Anhänger des Philosophen Sokrates. Er hat im 4. Jahrhundert vor Christus eine Philosophenschule gegründet, die für die europäische Philosophie grundlegend war und die philosophische Diskussion bis in unsere Zeit entscheidend prägte. Wenn also Roger Penrose eine der drei Welten ‹platonisch› nennt, bezieht er sich auf Platon und im Speziellen auf eine bestimmte Frage und den Diskurs darüber, der bis heute ausstrahlt. Die Frage lautet: Sind Ideen real?

Platons Ideenrealismus

Oft wurde von den nachfolgenden Philosophen das Thema als ein Konflikt zwischen Platon und seinem Schüler Aristoteles dargestellt. Platon wird die Haltung zugeschrieben, dass die Ideen nicht nur real seien, sondern sogar die eigentliche Realität, und das, was wir als Realität bezeichnen, nur ein Abklatsch der Ideen. Penrose bezeichnet nun die abstrakte Welt der Mathematik als ‹platonische› und nimmt damit Bezug auf den Gedanken Platons, dass nämlich den abstrakten Ideen ein Realitätswert zukommt.

Die Ideenwelt als eine der drei Welten

Die platonische Realität der Ideen wurde natürlich auch bestritten und Europas Philosophiegeschichte ist voll von Pros und Contras dazu, die unter den Stichworten Realismus, Nominalismus und Universalienstreit den Diskurs der Philosophen über viele Jahrhunderte geprägt haben und im Hintergrund auch heute noch wirksam sind. Die Theorie von Penrose ordnet nun wie Platon der abstrakten platonischen Welt eine Realität zu, aber nicht die der einzigen Realität, wie das ein kompromissloser platonischer Realismus tun würde, sondern als eine der drei Realwelten, die miteinander im Austausch stehen. Es geht also bei der Drei-Welten-Theorie nicht darum, welche Welt die reale oder wahre sei – wie etwa im Universalienstreit –, sondern darum, wie der Austausch zwischen ihnen stattfindet.

Doch zurück zur platonischen Welt. Was zeichnet sie gegenüber den anderen beiden aus?

Charakteristika der platonischen Welt

Nicht-Lokalität

Wo ist die Zahl ‹3›? Können Sie irgendwo in Ihrer Umgebung darauf zeigen?

Sie können natürlich auf drei Äpfel zeigen, auf drei Bleistiftstriche oder auf drei Kaffeetassen, aber das ist nicht die Zahl Drei, sondern das sind Äpfel, Bleistiftstriche und Kaffeetassen. Die Zahl Drei bleibt abstrakt. Niemand kann darauf zeigen.

Selbstverständlich können Sie auch das Wort ‹drei› oder auf die ‹3› in diesem Text zeigen, aber das sind nur die Symbole für die Zahl und nicht die Zahl selber. Die Zahl selber bleibt abstrakt; sie existiert gleichzeitig überall und nirgendwo.

Symbole stehen immer an einem bestimmten Ort, sie sind also lokalisiert. Die Zahl selber aber ist nicht-lokal, d.h. es gibt keinen Ort im Universum, an dem sich die Zahl befindet, sie befindet sich vielmehr überall. Es gibt sie auf der Erde, dem Mond und ebenso auf der Andromeda. Diese Nicht-Lokalität ist eine ganz elementare Eigenschaft der Objekte der platonischen Welt, und sie zeichnet sie insbesondere gegenüber den Objekten der physikalischen Welt aus, in der die Objekte örtlich definiert, d.h. lokalisiert sind.

Zeitlosigkeit

Mit der Zeit verhält es sich analog zum Ort:

1 plus 2 sind 3 – das ist wahr, und zwar gestern, heute, morgen und in alle Ewigkeit. Man kann die platonische Welt in diesem Sinn als einen Ort der ewigen Wahrheiten bezeichnen, ganz im Gegensatz zur physikalischen Welt, die dem steten Wandel unterworfen ist. Wenn es heute regnet, kann morgen die Sonne scheinen, 1 plus 2 hingegen ergibt an allen Tagen drei. Diese Zeitlosigkeit gilt für alle mathematische Aussagen, aber auch für ihre Objekte, wieder im Gegensatz zu den Objekten der physikalischen Welt: die Zahl 3 ist zeitlos, 3 Äpfel hingegen sind es nicht.


Dies ist ein Beitrag zur 3-Welten-Theorie.

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