Dies ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern und setzt den Beitrag zur Wahrnehmung der Oktave fort.
Funktioniert das Zusammentreffen der drei Welten nur für die Oktave?
Die Oktave zeigt, wie mit der mathematisch organisierten Obertonreihe die Mathematik, also die ideale (Penrose: platonische) Welt in die physikalische Welt eintritt und wie dieses Zusammentreffen von Mathematik (ganze Zahlen) und Physik (schwingende Materie) ein ganz spezielles Phänomen ermöglicht, nämlich die Resonanz. Die Resonanz wiederum nehmen wir Menschen subjektiv (Penrose: mentale Welt) als etwas ganz besonderes wahr. Zwei Töne im Abstand von einer Oktave erkennen wir subjektiv als gleiche Töne. Jedem von uns erscheint – unabhängig von der kulturellen Prägung – ein Ton mit der doppelten Frequenz als der «gleiche» Ton (Happy-Birthday-Experiment).
Wenn das Frequenzverhältnis (Mathematik) nur ein bisschen abweicht, verschwindet die Resonanz (Physik) und die Töne erscheinen uns (mental) als verschieden, ihr gemeinsames Erklingen als ein Missklang.
Bei der Oktave als erstem Oberton verbinden sich also die drei Welten. Können wir die auf die Oktave folgenden weiteren Obertöne ebenfalls für unsere Tonleiter verwenden? Die Antwort auf diese Frage ist kein einfaches Ja, denn die mathematische Reihe der ganzen Zahlen muss sich in die Sachzwänge der physikalischen und der mentalen Welt einfügen.
Was sind das für Zwänge? Und ist die Obertonreihe überhaupt eine Tonleiter, die in der Praxis Sinn macht?
Sachzwänge (Constraints) in der physikalisch / mentalen Welt
Töne dienen der Kommunikation und Säugetiere und Menschen kommunizieren akustisch. Sie sind fähig, Laute zu produzieren und sie zu hören. Diese physikalisch/mentale Gegebenheiten der Kommunikation müssen wir berücksichtigen, wenn wir uns überlegen, wie die Tonleitern entstanden sind.
Wir können nämlich mit unserer Stimme nicht Tonhöhen beliebiger Frequenz produzieren. Und wenn zwei Töne von ihrer Frequenz sehr weit auseinander sind, können wir schlecht ihren gegenseitigen Abstand messen (mentale, subjektive Welt). Deshalb dürfen die Töne einer Tonleiter nicht zu weit voneinander entfernt sein. Dies ist der erste Sachzwang der physikalischen und mentalen Welt bei der Bildung von Tonleitern.
Diese physikalisch/mentale Einschränkung kann noch weiter begründet und präzisiert werden: Weil wir einen zweiten Ton eine Oktave höher als den «gleichen» Ton wahrnehmen (Happy-Birthday-Experiment), darf eine Tonleiter den Bereich einer Oktave nicht überschreiten. Es gäbe sonst eine Überschneidung der Tonleiter mit sich selber, weil Töne ausserhalb der Oktave innerhalb der Oktave sofort einen «gleichen» Ton finden. Aus diesem Grund ist eine Tonleiter immer auf den Bereich einer Oktave beschränkt, genau so wie wir es in allen Musikkulturen auch feststellen können.
Die Töne dürfen andererseits auch nicht zu nah beisammen sein, denn dann können wir sie nicht mehr unterscheiden. Die Tonleitertöne dürfen aus diesem Grund nicht beliebig viele Töne haben – auch wenn dies mathematisch durchaus denkbar wäre. Doch nicht alles, was mathematisch möglich ist, macht in der Realität Sinn.
Die Folgen aus diesen Bedingungen für Tonleitern lassen sich in zwei Punkten zusammenfassen:
- Die Töne der Leiter dürfen sich nur im Raum einer Oktave bewegen.
- Es dürfen nicht zu viele Töne in der Tonleiter vorkommen.
Dies ist das physikalisch/mentale Constraint für Tonleitern.
Wie können nun unter diesen Constraints überzeugende Tonleitern entstehen? Können das weiterhin solche sein, die einfache mathematische Verhältnisse aufweisen? → siehe Folgebeitrag.
Dies ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern