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Korpusbasierte KI: Wo steckt die Intelligenz?

Vorbemerkung

Im Vorbeitrag haben wir gesehen, dass bei der regelbasierten KI die Intelligenz in den Regeln steckt. Diese Regeln sind menschengemacht und das System ist so intelligent wie die Menschen, die die Regeln geschrieben haben. Wie sieht das nun bei der korpusbasierten Intelligenz aus?

Die Antwort ist etwas komplizierter als bei den regelbasierten Systemen. Schauen wir deshalb den Aufbau eines solchen korpusbasierten Systems genauer an. Er geschieht in drei Schritten:

  1. Erstellen einer möglichst grossen Datensammlung (Korpus)
  2. Bewertung dieser Datensammlung
  3. Training des neuronalen Netzes (Lernphase)

Sobald das Netz erstellt ist, kann es angewendet werden:

  1.  Anwendung des neuronalen Netzes

Schauen wir die vier Schritte genauer an und überlegen wir uns dabei, worauf es ankommt und wo die Intelligenz in das korpusbasierte System hineinkommt.

Schritt 1: Erstellung der Datensammlung

In unserem Panzerbeispiel besteht der Korpus (die Datensammlung) aus Photographien von Panzern. Bilder sind typisch für korpusbasierte Intelligenz, aber die Sammlung kann natürlich auch andere Informationen enthalten, z.B. Suchanfragen von Kunden einer Suchmaschine oder GPS-Daten von Handys. Typisch ist, dass die Daten von jedem einzelnen Eintrag aus so vielen Einzelelementen (z.B. Pixeln) bestehen, dass Ihre Auswertung mit bewusst von Menschen konstruierten Regeln zu aufwendig wird. Dann lohnt sich ein regelbasiertes System nicht mehr.

Die Sammlung der Daten reicht aber nicht aus. Sie müssen jetzt auch bewertet werden.

Schritt 2: Bewertung des Korpus
Korpusbasiertes System
Abb. 1: Korpusbasiertes System

Abb. 1 zeigt das bereits bekannte Bild aus unserem Panzerbeispiel. Auf der linken Seiten sehen Sie den Korpus. Dieser ist in der Abbildung bereits bewertet, die Bewertung ist symbolisiert durch die kleinen schwarzen und grünen Fähnchen (Flags) links an jedem Panzerbild.

Man kann sich den bewerteten Korpus vereinfacht als eine zweispaltige Tabelle vorstellen. In der linken Spalte sitzt die Bildinformation, in der rechten die Bewertung und der Pfeil dazwischen ist die Zuordnung, die somit ein wesentlicher Teil des Korpus wird, sie sagt nämlich, zu welcher Kategorie (e oder f) das jeweilige Bild gehört, wie es also bewertet wird.

Korpus mit Bewertungen
Tabelle 1: Korpus mit Bewertungen (e=eigen, f=fremd)

Typischerweise sind die Informationsmengen in den beiden Spalten von sehr unterschiedlicher Grösse. Während die Bewertung in der rechten Spalte in unserem Panzerbeispiel aus genau einem Bit besteht, enthält das Bild der linken Spalte alle Pixel der Photographie; zu jedem Pixel sind Lage, Farbe usw. abgespeichert, also eine ziemlich grosse Datenmenge. Dieser Unterschied im Grössenverhältnis ist typisch für korpusbasierte Systeme – und falls Sie philosophisch interessiert sind, möchte ich auf den Bezug zum Thema Informationsreduktion und Entropie hinweisen . Im Moment geht es uns aber um die Intelligenz in den korpusbasierten KI-Systemen und wir halten dazu fest, dass im Korpus zu jedem Bild seine korrekte Zielkategorie fest zugeordnet wird.

Bei dieser Zuordnung wissen wir nicht, wie sie geschieht, denn sie wird durch einen Menschen durchgeführt, mit den Neuronen in seinem eigenen Kopf, deren genaues Verhalten ihm wohl kaum bewusst ist. Er könnte also nicht Regeln dafür angeben. Hingegen weiss er, was die Bilder darstellen, und vermerkt das im Korpus, eben mit der Zuordnung der entsprechenden Kategorie. Diese Zuordnung kommt von aussen durch den Menschen in den Korpus, sie ist zu hundert Prozent menschengemacht. Gleichzeitig ist diese Bewertung eine absolute Bedingung und die Grundlage für den Aufbau des neuronalen Netzes. Auch später, wenn das fertig trainierte neuronale Netz den Korpus mit den von aussen eingebrachten Zuordnungen nicht mehr braucht, war er doch vorher notwendig, damit das Netz überhaupt entsteht und arbeiten kann.

Woher stammt also die Intelligenz bei der Zuordnung der Kategorien e) und f)? Es ist letztlich ein Mensch, der diese Zuordnung macht und auch falsch machen kann; es handelt sich um seine Intelligenz. Sobald die Zuordnung im Korpus einmal notiert ist, handelt es sich nicht mehr um aktive Intelligenz, sondern um fixiertes Wissen.

Bewertung des Korpus
Abb. 2: Bewertung des Korpus

Die Bewertung des Korpus ist eine entscheidende Phase, und Intelligenz ist dabei zweifellos nötig. Die zusammen getragene Datensammlung muss bewertet werden und der Fachexperte, der diese Bewertung durchführt, muss garantieren, dass sie korrekt ist. In Abb. 2 ist die Intelligenz des Fachexperten durch den gelben Kreis repräsentiert. Der Korpus erhält das so erstellte Wissen über die Zuordnungen; die Zuordnungen selber sind in Abb. 2 als rote Pfeile dargestellt.

Wissen ist etwas anderes als die Intelligenz. Es ist einem gewissen Sinn passiv. In diesem Sinn handelt es sich bei den im Korpus festgehaltenen Informationen um Wissensobjekte, d.h. um Zuordnungen, die formuliert sind und nicht mehr bearbeitet werden müssen. Intelligenz hingegen ist ein aktives Prinzip, das selber Wertungen vornehmen kann, so wie es der menschliche Experte tut. Bei den Elementen im Korpus aber handelt es sich um Daten oder dann bei den erwähnten Zuordnungen um Resultate der Intelligenz von Experten – also um fest formuliertes Wissen.

Um dieses Wissen von der Intelligenz zu unterscheiden, habe ich es in Abb. 2 nicht gelb, sondern grün markiert.

Wir unterscheiden somit sinnvollerweise drei Dinge:

Daten (die Datensammlung im Korpus)
Wissen (die durchgeführte Bewertung dieser Daten)
Intelligenz (die Fähigkeit, diese Bewertung durchzuführen).

Schritt 3: Training des neuronalen Netzes
Lernphase
Abb. 3: Das neuronale Netz lernt das Wissen des Korpus

In der Trainingsphase wird auf Basis des Lernkorpus das neuronale Netz aufgebaut. Damit das funktioniert, ist wieder eine beträchtliche Intelligenz notwendig, diesmal kommt sie vom KI-Experten, der das Funktionieren der Lernphase ermöglicht und steuert. Dabei spielen Algorithmen eine Rolle, die dafür verantwortlich sind, dass das Wissen im Korpus korrekt ausgewertet wird und das neuronale Netz genau die Form erhält, die bewirkt, dass alle im Korpus festgehaltenen Zuordnungen auch durch das Netz nachvollzogen werden können.

Die Wissensextraktion und die dabei verwendeten Algorithmen sind durch den braunen Pfeil zwischen Korpus und Netz symbolisiert. Wenn man will, kann man ihnen durchaus eine gewisse Intelligenz zubilligen, doch sie tun nichts, was nicht vom IT-Experten bzw. vom Wissen im Korpus vorgegeben wird. Das entstehende neuronale Netz selber hat keine eigene Intelligenz, sondern ist das Ergebnis dieses Prozesses und somit der Intelligenz der Experten. Es enthält aber beträchtliches Wissen und ist deshalb in Abb. 3 grün dargestellt, wie das Wissen im Korpus in Abb. 2. Im Gegensatz zum Korpus sind die Zuweisungen (rote Pfeile) aber jetzt wesentlich komplexer, genau so, wie es in einem neuronalen Netz eben komplexer zu und her geht als in einer einfachen zweispaltigen Tabelle (Tabelle 1).

Und noch etwas unterscheidet das Wissen im Netz vom Wissen im Korpus: Im Korpus handelt es sich um Wissen über Einzelfälle, im Netz hingegen ist das Wissen abstrakt. Es kann deshalb auch auf bisher unbekannte Fälle angewendet werden.

Schritt 4: Anwendung
Anwendung eines neuronalen Netzes
Abb. 4: Anwendung eines neuronalen Netzes

In Abb. 4 wird ein bisher unbekanntes Bild vom neuronalen Netz bewertet und entsprechend dem im Netz gespeicherten Wissen kategorisiert. Dabei ist kein Korpus und auch kein Experte mehr nötig, es reichen die ‚geschulten‘, aber jetzt feststehenden Verdrahtungen im neuronalen Netz. Das Netz ist in diesem Moment nicht mehr in der Lage, etwas dazuzulernen. Es ist aber fähig zu durchaus eindrücklichen Leistungen mit ganz neuem Input. Diese Leistungen werden ermöglicht durch die vorgängigen Arbeiten, also den Aufbau des Korpus, die in ihm enthaltenen, (hoffentlich) korrekten Bewertungen und den Algorithmen der Lernphase. Hinter dem Lernkorpus steckt die menschliche Intelligenz des Fachexperten, hinter den Algorithmen der Trainingsphase die menschliche Intelligenz des IT-Experten.

Fazit

Was uns als künstliche Intelligenz erscheint, ist das Resultat der durchaus menschlichen, d.h. natürlichen Intelligenz der Fachexperten und IT-Spezialisten.


Dies ist ein Beitrag zum Thema künstliche Intelligenz. Im nächsten Beitrag schauen wir noch genauer hin. Wir schauen, was für Wissen in einem Korpus wirklich steckt. Und was die KI aus dem Korpus herausholen kann und was nicht.