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Tonleitern in der 3-Welten-Theorie

Tonleitern sind Muster

Wenn Sie eine Melodie hören, steht dahinter eine Tonleiter, d.h. ein Angebot von wenigen, ganz bestimmten Tönen, die überhaupt in der Melodie vorkommen können. Diese Töne in einer linearen Folge bilden die Leiter. Die meisten Melodien, die in unserem Kulturkreis zu hören sind, lassen sich auf eine einzige Tonleiter, die ionische oder Dur-Tonleiter zurückführen, die sieben Töne in ganz bestimmten Abständen aufweist.

Tausende von Tonleitern

Es gibt aber Tausende von unterschiedlichen Tonleitern. Vermutlich kennen Sie neben Dur auch Moll und haben vielleicht etwas von der Pentatonik gehört, von Ganztonleitern, von Phrygisch und Lydisch, von indischen Ragas, japanischen und afrikanischen Tonleitern. Alle diese Tonleitern sind verschieden.

Trotzdem haben sie, wie wir sehen werden, einige verblüffende Gemeinsamkeiten. Warum sollten die Menschen überall auf der Welt in allen Kulturen und bei allen Unterschieden sich freiwillig, ausnahmslos und strikt an diese Gemeinsamkeiten halten? Die Gründe dafür lassen sich gut erklären, wenn man nicht nur eine Welt anschaut, sondern das Zusammenspiel aller drei Welten.


In welcher der drei Welten existiert die Tonleitern?

Tonleitern sind Teil unserer Realität, wie immer wir Realität definieren. Es sei denn, wir definieren die Realität als das, was wir Materie nennen. Dann sind die Tonleitern nicht Teil der Materie. Sie prägen sich zwar in der physikalischen Welt aus, z.B. wenn ein Mensch sie singt oder spielt, aber sie haben eine Identität, die unabhängig von der jeweiligen Ausführung ist. Die Tonleiter ist also in diesem Sinn nichtlokal, wie es typischerweise Entitäten in der platonischen Welt sind. Zwischen der Tonleiter und ihrer Ausführung besteht dann das Verhältnis von einem abstrakten, d.h. platonischen Muster zu seiner materiellen Instanz. Es handelt sich immer dabei um ein 1/n – Verhältnis, denn das Muster ist einmalig, doch daraus können beliebig viele Instanzen gewonnen werden.

Als Muster gehört die Tonleiter in die platonische Welt, auch wenn sie sich in die materielle Welt hinein ausprägt. Gerade die Mathematik hat viel mit der Form der Tonleitern zu tun, was leicht zu zeigen ist, doch andererseits müssen Sie gar nichts von dieser Mathematik wissen, um Tonleitern korrekt zu erkennen und oder zu singen. Ihre mentale Welt, in der Sie die Tonleiter erleben, braucht keine Zahlen und Formeln.

Eine Tonleiter existiert somit in allen drei Welten:

Platonische Welt: Hier existiert die Tonleiter als eine Entität, d.h. als eine Einheit und Ganzheit. Hier existiert jede Tonleiter nur einmal.

Physikalische Welt: Hier existiert die Tonleiter als eine beliebige Zahl von Vorkommnissen – wann immer Melodien auf ihrer Basis ertönen.

Mentale Welt: Hier, nämlich in Ihrem Kopf, erkennen Sie die Melodien und Tonleitern.

Selbstverständlich ist jede Welt ganz auf ihre eigene Weise organisiert. Wie spielen nun die drei Welten zusammen? Wir schauen das am Beispiel der Oktave an.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie.

 

Die physikalische Welt

Die Welt der Naturwissenschaften

Die physikalische Welt ist das, was die Naturwissenschaften untersuchen, allen voran die Physik. Die Erfolge des naturwissenschaftlichen Programms sind offensichtlich, sowohl bezüglich der Einblicke in das Funktionieren der Welt, also der Theorie, wie auch bezüglich der dadurch ermöglichten Techniken, also der Praxis. Die Naturwissenschaften haben unsere Welt seit Galileo Galilei fundamental verändert.

Objektivität

Der Erfolg wurde dadurch möglich, dass sich die Denker und Forscher in Europa seit der Renaissance nicht mehr auf das beriefen, was von altersher überliefert war, sondern vorurteilsfrei selber forschten und suchten. Während die Mönche in den Klöstern alte Schriften interpretieren und kompilierten (Scholastik), wagten die freien Geister das zu glauben, was sie in der Natur selber sehen konnten – auch wenn es im Widerspruch zu klösterlichen Autoritäten war.

Mit dem Wegfall der alten Autoritäten brauchte es aber eine neue Richtschnur, damit nicht jeder irgendetwas behaupten konnte. Die These eines Forscher sollte unabhängig überprüfbar sein, und nur das sollte fortan als wahr und zutreffend gelten, was von allen zweifelsfrei beobachtbar ist. Das Ideal der Objektivität war geboren.

Messbarkeit

Aber nicht nur objektiv, d.h. von jedermann überprüfbar, sondern auch ganz genau sollte die Welt beschrieben werden können. Das hat zwei Vorteile: a) Eine These ist umso glaubhafter, je präziser ihre Voraussagen sind. Je genauer gemessen werden kann, umso aussagekräftiger werden die Beobachtungen. b) Neben präziseren Erkenntnissen erlauben die genauen Messungen auch den Bau von immer präziseren Apparaten.

Die Welt von aussen

Die Naturwissenschaften konzentrierten sich somit darauf, was von aussen gesehen und gemessen werden kann. Das ist das, was Penrose als die physikalische Welt bezeichnet. Nicht meine Innensicht, meine Empfindung oder mein Glaube ist gefragt, sondern das, was sich zweifelsfrei von aussen beobachten und messen lässt. Das ist die physikalische Welt.

Die physikalische Welt im Zusammenspiel

Man könnte nun die physikalische Welt als die einzig wahre Wirklichkeit ansehen, doch wird unser Weltbild plastischer, wenn wir die beiden anderen Welten hinzunehmen. Wie spielen die drei Welten zusammen? – Es gibt Brücken von einer zur anderen, es gibt Übergänge, und es gibt Wirkungen von einer Welt in die anderen. Wie das funktioniert, lässt sich am Beispiel der Musik ausführen, die an allen drei Welten teilhat.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie.

Die platonische Welt

Warum ‹platonisch›?

Penrose bezeichnet eine der drei Welten in der Drei-Welten-Theorie als platonisch. Weshalb?

Platon

Der reiche Athener Bürger Platon war ein Anhänger des Philosophen Sokrates. Er hat im 4. Jahrhundert vor Christus eine Philosophenschule gegründet, die für die europäische Philosophie grundlegend war und die philosophische Diskussion bis in unsere Zeit entscheidend prägte. Wenn also Roger Penrose eine der drei Welten ‹platonisch› nennt, bezieht er sich auf Platon und im Speziellen auf eine bestimmte Frage und den Diskurs darüber, der bis heute ausstrahlt. Die Frage lautet: Sind Ideen real?

Platons Ideenrealismus

Oft wurde von den nachfolgenden Philosophen das Thema als ein Konflikt zwischen Platon und seinem Schüler Aristoteles dargestellt. Platon wird die Haltung zugeschrieben, dass die Ideen nicht nur real seien, sondern sogar die eigentliche Realität, und das, was wir als Realität bezeichnen, nur ein Abklatsch der Ideen. Penrose bezeichnet nun die abstrakte Welt der Mathematik als ‹platonische› und nimmt damit Bezug auf den Gedanken Platons, dass nämlich den abstrakten Ideen ein Realitätswert zukommt.

Die Ideenwelt als eine der drei Welten

Die platonische Realität der Ideen wurde natürlich auch bestritten und Europas Philosophiegeschichte ist voll von Pros und Contras dazu, die unter den Stichworten Realismus, Nominalismus und Universalienstreit den Diskurs der Philosophen über viele Jahrhunderte geprägt haben und im Hintergrund auch heute noch wirksam sind. Die Theorie von Penrose ordnet nun wie Platon der abstrakten platonischen Welt eine Realität zu, aber nicht die der einzigen Realität, wie das ein kompromissloser platonischer Realismus tun würde, sondern als eine der drei Realwelten, die miteinander im Austausch stehen. Es geht also bei der Drei-Welten-Theorie nicht darum, welche Welt die reale oder wahre sei – wie etwa im Universalienstreit –, sondern darum, wie der Austausch zwischen ihnen stattfindet.

Doch zurück zur platonischen Welt. Was zeichnet sie gegenüber den anderen beiden aus?

Charakteristika der platonischen Welt

Nicht-Lokalität

Wo ist die Zahl ‹3›? Können Sie irgendwo in Ihrer Umgebung darauf zeigen?

Sie können natürlich auf drei Äpfel zeigen, auf drei Bleistiftstriche oder auf drei Kaffeetassen, aber das ist nicht die Zahl Drei, sondern das sind Äpfel, Bleistiftstriche und Kaffeetassen. Die Zahl Drei bleibt abstrakt. Niemand kann darauf zeigen.

Selbstverständlich können Sie auch das Wort ‹drei› oder auf die ‹3› in diesem Text zeigen, aber das sind nur die Symbole für die Zahl und nicht die Zahl selber. Die Zahl selber bleibt abstrakt; sie existiert gleichzeitig überall und nirgendwo.

Symbole stehen immer an einem bestimmten Ort, sie sind also lokalisiert. Die Zahl selber aber ist nicht-lokal, d.h. es gibt keinen Ort im Universum, an dem sich die Zahl befindet, sie befindet sich vielmehr überall. Es gibt sie auf der Erde, dem Mond und ebenso auf der Andromeda. Diese Nicht-Lokalität ist eine ganz elementare Eigenschaft der Objekte der platonischen Welt, und sie zeichnet sie insbesondere gegenüber den Objekten der physikalischen Welt aus, in der die Objekte örtlich definiert, d.h. lokalisiert sind.

Zeitlosigkeit

Mit der Zeit verhält es sich analog zum Ort:

1 plus 2 sind 3 – das ist wahr, und zwar gestern, heute, morgen und in alle Ewigkeit. Man kann die platonische Welt in diesem Sinn als einen Ort der ewigen Wahrheiten bezeichnen, ganz im Gegensatz zur physikalischen Welt, die dem steten Wandel unterworfen ist. Wenn es heute regnet, kann morgen die Sonne scheinen, 1 plus 2 hingegen ergibt an allen Tagen drei. Diese Zeitlosigkeit gilt für alle mathematische Aussagen, aber auch für ihre Objekte, wieder im Gegensatz zu den Objekten der physikalischen Welt: die Zahl 3 ist zeitlos, 3 Äpfel hingegen sind es nicht.


Dies ist ein Beitrag zur 3-Welten-Theorie.

Die Drei-Welten-Theorie (Roger Penrose)

Die drei Welten

Es gibt praktische Fragen, die mit unseren konkreten Leben zu tun haben, und theoretische Fragen, die damit scheinbar nichts zu tun haben. Es gibt aber auch theoretische Überlegungen, die durchaus mit unserem praktischen Alltag zu tun haben. Eine davon ist die Drei-Welten-Theorie, die sich damit beschäftigt, in welchen Welten wir konkret leben.

Auf welchem Grund steht unsere ganz alltägliche Existenz? Die Drei-Welten-Theorie weist darauf hin, dass wir uns gleichzeitig in drei grundverschiedenen Welten bewegen. Praktisch stellt das für uns kein Problem dar, theoretisch hingegen stellt sich die Frage, wie drei so verschiedene Welten sich denn in der Realität überhaupt begegnen können.

Bei Roger Penrose heissen die drei Welten:
A) Platonic World
B) Physical World
C) Mental World

Hier ist die originale Darstellung von Roger Penrose:

Platonic World: Die Welt der Ideen. Mathematik z.B. befindet sich gänzlich in der platonischen Welt.

Physical World: Die reale, physische Welt mit Dingen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort sind.

Mental World: Meine subjektiven Wahrnehmungen, die mich die anderen Welten erst erkennen lassen. Aber auch meine Gedanken und Vorstellungen, so wie ich sie erlebe.

Das Kreisverhältnis zwischen den drei Welten

Die Pfeile zwischen den Kugeln deuten das Kreisverhältnis an, das diese Welten nach Penrose miteinander eingehen:

Platonic → Physical: Hinter der Physik steckt Mathematik. Physik ist ohne höhere Mathematik undenkbar. Offensichtlich hält sich die physikalische Welt sehr genau an mathematische Gesetze. Wird die Realwelt also von der Mathematik bestimmt?

Physical → Mental: Mein Hirn ist ein Gegenstand der physikalischen Welt. Nach gängiger Vorstellung bestimmen die Neuronen des Hirngewebes mit ihren elektrischen Schaltungen meine Hirnleistungen.

Mental → Platonic: Grosse Denker sind in der Lage, in Gedanken (Mental World) die Gesetze der Mathematik zu formulieren, sie ‹entstehen› in ihrem Kopf.

Das ist also der Kreisprozess:
Die platonische Welt (Mathematik) bestimmt die physikalische. Diese ist die Basis für das menschliche Denken. Im menschliche Denken wiederum haben Mathematik (und andere Ideen) ihren Platz. Die mathematischen Gesetze … hier schliesst sich der Kreis.

Mächtigkeiten der drei Welten

Interessant sind auch die sich öffnenden Trichter in Penrose’s Skizze, die zusammen mit den Pfeilen von einer Welt zur nächsten weisen. Penrose deutet damit an, dass die im Kreisprozess folgende Welt nur einen Teil der Welt benötigt, aus der sie während des Generierungsprozesses entsteht.

Platonic → Physical: Nur ein kleiner Teil der mathematischen Erkenntnisse kann in der Physik verwendet werden. So gesehen brauchen (sind?) die physikalischen Gesetze nur einen Ausschnitt aus der Mathematik.

Physical → Mental: Mein Hirn ist ein sehr kleiner Teil der physikalischen Welt.

Mental → Platonic: Mein Hirn beschäftigt sich mit vielem; Mathematik und abstrakte Ideen sind nur ein Teil davon.

Die Platonische Welt ist dann wieder Ursprung für die physische Welt. Die Grössenverhältnisse scheinen dabei aber nicht richtig aufzugehen. Das gleicht der berühmten ewigen Treppe:

Die ewige Treppe

Nebenbemerkung:
Die ewige Treppe wurde  von Roger Penrose’s Vater, Lionel Penrose enteckt und wird auch Penrose-Treppe genannt  – bzw. Escher-Penrose-Treppe nach dem holländischen Grafiker, der u.a. Douglas Hofstadter zu seinem Buch ‹Gödel, Escher, Bach› inspiriert hat. Die Endlosigkeit, mit der die Treppe steigt, ist grafisch scheinbar mühelos darstellbar, logisch jedoch höchst verzwickt (selbstreferenzielles Tabu).

Für Penrose liegt ein Geheimnis in den drei Welten. Er schreibt:

«Zweifellos gibt es in Wirklichkeit nicht drei Welten, sondern nur eine, und das wahre Wesen dieser Welt können wir gegenwärtig nicht einmal erahnen.»

Es geht also um drei Welten in einer – und somit um ihre Unterschiede und die Art ihrer Verschränkung.

Keine abstrakte Theorie

Die drei Welten sind keine abstrakte Theorie, sondern lassen sich in unserer eigenen privaten Erlebniswelt erkennen. Sie spielen z.B. in der Musik eine wichtige Rolle. Am Beispiel der Musik kann man auch erkennen, wie die drei Welten zusammenwirken. Mehr dazu später auf dieser Website (siehe Übersichtseite zur Drei-Welten-Theorie).

Nachtrag im Oktober 2020:

Ich habe diesen Beitrag einen Monat vor der Bekanntgabe, dass Sir Roger Penrose den Nobelpreis bekommt, geschrieben. Ich freue mich sehr, dass dieser geniale Wissenschaftler den Preis bekommt.


Dies ist der Startbeitrag zum Thema Musikalische Tonleitern und Drei-Welten-Theorie.