Wie unsere Tonleitern entstanden sind

Tonleitern

Als Amateurpianist interessiert mich das Thema Tonleitern seit langem:
  • Es gibt eine Vielfalt von Tausenden von unterschiedlichen Tonleitern
  • Alle diese Tonleitern gehen über genau eine Oktave – weshalb?
  • Was haben die verschiedenen Tonleitern sonst noch gemeinsam?
  • Und weshalb?
  • Und worin unterscheiden sie sich?
  • Gibt es eine Logik darin?
Als Informatiker interessiert mich die Struktur innerhalb der Tonleitern. Die Mathematik hinter den Tonleitertönen besteht offensichtlich aus einfachen Brüchen:
  • Lässt sich diese einfache Mathematik aus der Physik herleiten? Wenn ja, wie?
  • Lassen sich auch unsere subjektiven Empfindungen mit dieser einfachen Mathematik vereinbaren?
  • Wenn ja, wie?

Das Erstaunliche ist: Diese scheinbar rhetorischen Fragen habern alle ganz klare Antworten.

–> Mehr zur Herkunft unserer Tonleitern

Drei Welten

Zum Thema des Ursprungs der Tonleitern bin ich über die Drei-Welten-Theorie von Roger Penrose gelangt, als ein Anwendungsbeispiel für seine drei Welten:

  • die platonische = mathematische,
  • die physikalische und
  • die mentale = subjektive Welt.

Die Tonleitern erwiesen sich bei meiner Untersuchung als überraschend einleuchtendes Beispiel für das Zusammenspiel der drei Welten.

–> Penroses Drei-Welten-Theorie

Resonanz

Die zweite Überraschung war für mich die ganz entscheidende Rolle – nicht der Obertöne wie in der gängigen Literatur, sondern der Resonanz zwischen den Frequenzen. Die Resonanz lässt sich

  • einfach physikalisch begründen (physikalische Welt),
  • einfach als Bruch darstellen und für die weiteren Überlegungen verwenden (mathematische Welt)
  • und erklärt einleuchtend die Intervalle innerhalt der Tonleitern und ihre Beziehungen (mentale Welt)

Als weitere Überraschung zeigte sich, dass das Phänomen der Resonanz Musik und Quantenphysik verbindet. Die Verbindung ist einfach und offensichtlich. Resonanzphänomene sind überall.

–> Die Rolle der Resonanz

Die 21. Reise und die künstliche Intelligenz

Littering im Weltraum ist nicht erst seit Elon Musks Starlink-Programm ein Thema und aktuell werden verschiedene Methoden zur Reinigung des zunehmend vermüllten Weltraums rund um unserer Erde diskutiert. Die Aufgabe ist nicht einfach, weil – aufgrund des zweiten Hauptsatzes, nämlich der unausweichlichen Entropiezunahme – jede Vermüllung die Tendenz hat, exponentiell zuzunehmen. Wenn eines der Tausenden von Schrottteilen im Weltraum von einem anderen Schrottteil getroffen wird, entstehen aus dem einen getroffenen Stück viele neue, mit irrer Geschwindigkeit herumfliegende Teile. Das Weltraumvermüllung ist also ein Selbstläufer mit zunehmend exponentieller Tendenz.

Aber kennen wir dieses Problem nicht schon lange? In den 60-er Jahren hatte der polnische Schriftsteller Stanislaw Lem bereits darüber geschrieben. Ich holte deshalb seine Zusammenstellung der Reisen des Kosmonauten Ijon Tichys hervor. In der 21. seiner Reisen trifft dieser auf einen vermüllten Planeten. Tichy, der weitgereiste Kosmonaut, schreibt:

«Jede Zivilisation, die in der technischen Phase steckt, beginnt allmählich in den Abfällen zu versinken, die ihr gewaltige Sorgen bereiten.»

Des weiteren beschreibt Tichy, wie deshalb die Abfälle in den Weltraum rund um den Planeten entsorgt werden, dort aber neue Probleme bereiten, was Folgen hat, die auch Kosmonaut Tichy zu spüren bekommt.

Doch die 21. Reise hat es aus noch ganz anderen Gründen in sich. Das Hauptthema dieser Reise ist – wie bei vielen Geschichten von Stanislaw Lem – die künstliche Intelligenz.

Tichy trifft auf dem jetzt gereinigten Planeten nicht nur auf eine weitere unliebsame Folge des zweiten Hauptsatzes (nämlich eine entartete Biogenetik), sondern auch auf einen Mönchsorden, der aus Robotern besteht. Diese Robotor diskutieren mit Tichy über die Bedingungen und Folgen ihrer künstlichen Intelligenz. So sagt z.B. der Roboterprior über die Beweiskraft von Algorithmen:

«Die Logik ist ein Werkzeug» erwiderte der Prior, «und aus einem Werkzeug resultiert nichts. Es muss einen Schaft und eine lenkende Hand haben.» (S. 272, Lem)

Ich selber bewegte mich – ohne dass mir der Zusammenhang und die mögliche Beeinflussung meiner Gedanken durch Stanislaw Lem bewusst war – ganz auf den Spuren von Lems Roboter-Priors und schrieb:

«Eine Instanz (Intelligenz) […]  muss zwecks Beurteilung der Daten den Bezug zwischen den Daten und dem Beurteilungsziel herstellen. Diese Aufgabe ist immer an eine Instanz mit einer bestimmten Absicht gebunden.» (Straub 2021, S. 64-65)

Lem hat bereits vor 50 Jahren  formuliert, was meines Erachtens den prinzipiellen Unterschied zwischen einer Werkzeug-Intelligenz und einer belebten (d.h. biologischen) Intelligenz ausmacht – nämlich die Absicht, welche die Logik lenkt. Bei der Maschine fehlt sie, bzw. wird sie von aussen (von wem?) eingebeben. Die menschliche Intelligenz hingegen kann – wenn wir keine Roboter sein wollen – ihre Ziele selber bestimmen. Sie besteht in den Worten von Lems Prior nicht nur aus der Logik, welche von der lenkenden Hand geführt wird, sondern beinhaltet die lenkende Hand mit.

Als Konsequenz dieser Überlegung folgt für mich bezüglich KI:

Wenn wir uns der technischen Möglichkeiten der KI bedienen (und weshalb sollten wir nicht?), dann sollten wir immer auch berücksichtigen, nach welchem Ziel unsere Algorithmen ausgerichtet sind.

Literatur

  • Lem, S. (1971) Sterntagebücher, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1978.
  • Straub, HR. (2021) Wie die künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt, St. Gallen, ZIM-Verlag.
  • Nowotny, H. (2021) In AI we Trust, Power, Illusion and Control of Predictive Algorithms, Cambridge/Medford, Polity Press.

Hat der Chatbot LaMDA ein Bewusstsein?

Die Diskussion um künstliche Intelligenz bleibt  aktuell, nicht zuletzt dank den Erfolgen von Google in diesem Bereich.

Aktuell ist die Diskussion um LaMDA, eine KI, die genau darauf trainiert wurde, Dialoge so zu führen als wäre sie ein echter Mensch. Offenbar so überzeugend, dass der Google-Mitarbeiter Blake Lemoine selbst anfing, ihr ein eigenes Bewusstsein zuzugestehen und sogar erwägt haben soll, einen Anwalt für ihre Rechte als Person zu engagieren.

Zu LaMDA und Lemoine, siehe z.B. https://www.derstandard.at/story/2000136501277/streit-bei-google-um-eine-ki-die-ein-eigenes-bewusstsein

Doch nicht alle Beobachter stimmen mit Lemoine überein. Frau Sarah Spiekermann von der Wirtschaftsuniversität Wien sagt im Interview mit Radio SRF vom 23.6.22:

«Da es [Googles KI-Programm LaMDA] kein Selbst hat, liest es einfach nur vor, was eingespielt ist … Aber das gibt dem Ding natürlich kein Bewusstsein. … Ich denke, da können wir sehr sicher sein, dass es kein Selbst hat, denn zu einem Selbst gehört ein Leben … Dazu gehört eine Möglichkeit, sich selbst zu beobachten … Ich merke, dass ich selbst bin und Maschinen können diese Selbstbeobachtung nie einnehmen … sie sind immer einlesende Entitäten.» (Hervorhebungen von mir, Original: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/kann-eine-kuenstliche-intelligenz-ein-bewusstsein-entwickeln?partId=12211826)

Frau Spiekermanns Darstellung geht konform mit meiner These, dass bewusste Intelligenz notwendigerweise mit Existenz verknüpft ist. Durch die eigene Existenz ergibt sich ein eigenes, d.h. nicht von aussen bestimmtes Interesse, nämlich das Interesse, am Leben zu bleiben – ein im eigentlichen Sinn vitales Interesse.


Die philosophische Frage, was Intelligenz ausmacht, kommt uns durch die Neuronalen Netze von Google und anderen auch im Alltag immer näher. In meinem Buch ‹Das interpretierende System› unterschied ich 2001 zwischen

a) trivialen Maschinen
b) einfachen interpretierenden Systemen
c) intelligenten, d.h. selbstlernenden System.

Spannend ist vor allem der Unterschied zwischen b) und c), also zwischen nur interpretierenden Systemen (z.B. LaMDA) und wirklich intelligenten Systemen. Dazu schrieb ich:

«Beide enthalten Regeln für die Beurteilung der Umwelt. Die Frage ist, wer die Regeln erstellt. Ein interpretierendes System muss die Regeln nicht notwendigerweise selbst generieren, es reicht aus, gegebene Regeln anzuwenden, um ein interpretierendes System zu sein. Ein System hingegen, das seine Regeln selbst findet, also selbstständig lernt, ist intelligent im eigentlichen Sinn. Dabei kommt das nun schon oft erwähnte selbstreferentielle Phänomen ins Spiel: Die Regeln sind ein essentieller Bestandteil des Systems, und ein System, das seine eigenen Regeln selbst anpasst, verändert sich selbst.» (Das interpretierende System, 2001, S. 90)

Selbstreferentialität (Spiekermann: ‹Selbstbeobachtung›) ist ein notwendiges Element von echter Intelligenz. Doch nicht nur Selbst-Beobachtung gehört dazu, auch die Möglichkeit sich selber zu verändern.

Drei Beobachtungen zur Künstlichen Intelligenz / 3

Was hat die biologische der künstlichen Intelligenz voraus?

Das Unwahrscheinliche einbeziehen

Neuronale Netze bewerten die Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses. Dies entspricht einem sehr flachen Denkvorgang, denn nicht nur das Wahrscheinliche ist möglich. Gerade eine unwahrscheinliche Wendung kann ganz neue Perspektiven öffnen, im Leben wie im Denken. Das automatische Vorgehen der neuronalen Netze aber ist ein Denkkorsett, das stets das Wahrscheinliche erzwingt.

Detaillierter differenzieren

Neuronale Netze werden umso unpräziser, je mehr Details sie unterscheiden sollen. Schon mit wenigen Resultatmöglichkeiten (Outcomes) sind sie überfordert. Biologische Intelligenz hingegen kann sich je nach Fragestellung in sehr differenzierte Ergebniswelten eindenken, mit einer Vielfalt von Ergebnismöglichkeiten.

Transparenz suchen

Weshalb komme ich im Denken zu einem bestimmten Ergebnis? Wie ist der Denkverlauf? Nur wenn ich mein Denken hinterfragen kann, kann ich es verbessern. Neuronale Netze hingegen können ihre Schlüsse nicht hinterfragen. Sie folgern einfach das, was der Korpus und dessen von aussen erfolgte Bewertung ihnen vorgeben.

Kontext bewusst wählen

Je nach Fragestellung wählt das menschliche Denken einen Kontext mit entsprechenden Musterbeispielen und bereits erkannten Regeln. Diese Auswahl ist aktiv und stellt das bewusste Moment im Denken dar: Worüber denke ich nach?

Die Auswahl des Kontexts entscheidet natürlich auch über die möglichen Outcomes und gültigen Regelmuster. Eine aktive Bewertung und Filterung des Kontexts erbringt die biologischen Intelligenz automatisch, sie liegt jedoch ausserhalb der Möglichkeiten eines neuronalen Netzes.

Zielorientiert denken

Was habe ich für Ziele? Was ist für mich wichtig? Was hat für mich Bedeutung? – Solche Fragen richten mein Denken aus; Aristoteles spricht von der «Causa finalis», dem Wozu, d. h. dem Ziel als Beweggrund. Neuronale Netze kennen kein eigenes Ziel, d. h. dieses steckt stets in der vorgängigen Bewertung des Korpus, die von aussen erfolgt. Das Ziel ist nichts, was das neuronale Netz selbstständig oder im Nachhinein verändern kann. Ein neuronales Netz ist stets und vollständig fremdbestimmt.

Eine biologische Intelligenz hingegen kann sich über ihre Ziele Gedanken machen und das Denken entsprechend verändern und ausrichten. Diese Autonomie über die eigenen Ziele zeichnet die biologische Intelligenz aus und ist ein wesentliches Element des Ideals des freien Menschen.

Fazit in einem Satz

Die künstliche Intelligenz der neuronalen Netze ist hochpotent, aber nur für umschriebene, eng begrenzte Fragestellungen einsetzbar und hat mit wirklicher, d. h. aktiver Intelligenz nichts zu tun.


Dies ist Teil 3 aus dem Nachwort des Buches ‹Wie die künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt›.  –> zum Buch

Drei Beobachtungen zur Künstlichen Intelligenz / 2

Die Möglichkeiten der neuronalen Netze sind beschränkt

Der unbezweifelbare Erfolg der neuronalen Netze lässt ihre Schwächen in den Hintergrund treten. Als korpusbasierte Systeme sind neuronale Netze völlig von der vorgängig erfolgten Datensammlung, dem Korpus abhängig. Prinzipiell kann nur die Information, die auch im Korpus steckt,  vom neuronalen Netz überhaupt gesehen werden. Zudem muss der Korpus bewertet werden, was durch menschliche Experten erfolgt.

Was nicht im Korpus steckt, befindet sich ausserhalb des Horizonts des neuronalen Netzes. Fehler im Korpus oder in seiner Bewertung führen zu Fehlern im neuronalen Netz:

Intransparenz

Welche Datensätze im Korpus zu welchen Schlüssen im neuronalen Netz führen, lässt sich im Nachhinein nicht rekonstruieren. Somit können Fehler im neuronalen Netz nur mit beträchtlichem Aufwand korrigiert werden. Andererseits ist es auch nicht nötig, die Schlussfolgerungen wirklich zu verstehen. So kann ein neuronales Netz ein Lächeln auf einem fotografierten Gesicht sehr gut  erkennen, obwohl wir nicht bewusst angeben können, welche Pixelkombinationen nun genau für das Lächeln verantwortlich sind.

Kleiner Differenzierungsgrad

Wie viele Ergebnismöglichkeiten (Outcomes) kann ein neuronales Netz unterscheiden? Jedes mögliche Ergebnis muss in der Lernphase einzeln geschult und abgegrenzt werden. Dafür müssen genügend Fälle im Korpus vorhanden sein. Der Aufwand bezüglich Korpusgrösse steigt dabei nicht proportional, sondern exponentiell. Dies führt dazu, dass Fragen mit wenig Ergebnismöglichkeiten von neuronalen Netzen sehr gut, solche mit vielen unterschiedlichen Antworten nur mit überproportionalem Aufwand gelöst werden können.

Am besten eignen sich deshalb binäre Antworten, z. B. Ist der Twittertext von einer Frau oder einem Mann geschrieben? Zuweisungen mit vielen Outcome-Möglichkeiten hingegen eignen sich schlecht.

(Fortsetzung folgt)


Dies ist Teil 2 aus dem Nachwort des Buches ‹Wie die künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt›.  –> zum Buch


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Drei Beobachtungen zur Künstlichen Intelligenz / 1

KI umfasst mehr als nur neuronale Netze

Neuronale Netze sind potent

Was unter Künstlicher Intelligenz (KI) allgemein verstanden wird, sind sogenannte Neuronale Netze.

Neuronale Netze sind potent und für ihre Anwendungsgebiete unschlagbar. Sie erweitern die technischen Möglichkeiten unserer Zivilisation massgeblich auf vielen Gebieten. Trotzdem sind neuronale Netze nur eine Möglichkeit, ‹intelligente› Computerprogramme zu organisieren.

Korpus- oder regelbasiert?

Neuronale Netze sind korpusbasiert, d. h. ihre Technik basiert auf einer Datensammlung, dem Korpus, der von aussen in einer Lernphase Datum für Datum bewertet wird. Das Programm erkennt anschliessend in der Bewertung der Daten selbständig gewisse Muster, die auch für bisher unbekannte Fälle gelten. Der Prozess ist automatisch, aber auch intransparent.

In einem realen Einzelfall ist nicht klar, welche Gründe für die Schlussfolgerungen herangezogen worden sind. Wenn der Korpus aber genügend gross und korrekt bewertet ist, ist die Präzision der Schlüsse ausserordentlich hoch.

Grundsätzlich anders funktionieren regelbasierte Systeme. Sie brauchen keine Datensammlung, sondern eine Regelsammlung. Die Regeln werden von Menschen erstellt und sind transparent, d. h. leicht les- und veränderbar. Regelbasierte Systeme funktionieren allerdings nur mit einer adäquaten Logik (dynamische, nicht statische Logik) und einer für komplexe Semantiken geeigneten, multifokalen Begriffsarchitektur; beides wird in den entsprechenden Hochschulinstituten bisher kaum gelehrt.
Aus diesem Grund stehen regelbasierte Systeme heute eher im Hintergrund, und was allgemein unter künstlicher Intelligenz verstanden wird, sind neuronale Netze, also korpusbasierte Systeme.

(Fortsetzung)


Dies ist Teil 1 aus dem Nachwort des Buches ‹Wie die künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt›.  –> zum Buch


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Mentale Welt

Was ist die mentale Welt?

Die mentale Welt ist die Welt in unserem Kopf. Es ist die Weise, wie wir die Welt wahrnehmen, sie umfasst unsere Empfindungen, Gefühle und Gedanken. Es ist eine ganz subjektive Welt.

In der Drei-Welten-Theorie ist die mentale Welt die dritte neben der physikalischen und die platonischen.

Unterschied zur physikalischen Welt

Während die physikalische Welt objektiv fassbar ist, bleibt die mentale subjektiv.

Mit anderen Worten: Während wir die Gegenstände der physikalischen Welt von aussen beobachten können, ist dies mit den Gegenständen der mentalen Welt nicht möglich.

Beispiel Farbe

Objektiv (physikalisch) sind die Farben messbar als Wellenlängen von Lichtwellen. So hat z.B. gelb oder blau eine bestimmte Wellenlänge, die in Nanometern objektiv messbar ist. Was wir wahrnehmen ist allerdings nicht die Wellenlänge. Wir haben einen subjektiven Eindruck von Gelb oder Blau, der zwar durch das physikalische Phänomen der Lichtwelle ausgelöst wird, doch was wir empfinden ist nicht die Wellenlänge, sondern ein ganz subjektiver Eindruck von gelber oder grüner Farbe. So nehmen wir z.B. grün als eine bestimmte Farbe wahr, die einem bestimmten Wellenlänge entspricht. Wie wir aus dem Zeichnungsunterricht wissen, kann das Grün aber aus blau und gelb gemischt werden. Das heisst, was auf unser Auge physikalisch eintrifft, ist eine Kombination von Photonen mit ‹blauer› und ‹gelber› Wellenlänge. Wir nehmen aber nicht diese beiden objektiv vorhandenen Wellenlängen wahr, sondern wir eimpfinden die Kombination als Grün, also als eine ganz andere Wellenlänge. Dieser subjektive Eindruck wird in der Literatur ‹Qualia‹ genannt.


Existiert die mentale Welt wirklich?

Oder ist sie einfach eine Auswirkung (Emanation) der physikalischen Welt? Viele Leute glauben dies. Der subjektive Eindruck, den wir empfinden, wird im Gehirn durch die elektrische Ströme erzeugt, die die Photonen auf unserer Netzhaut auslösen. In diesem Sinn existiert die mentale Welt nicht wirklich, sondern ist eine Emanation der physikalischen Welt, eine blosse Auswirkung der Physik, die uns die Farbempfindung vortäuscht.

Am anderen Ende des Spektrums stehen die Solipsisten und die radikalen Konstruktivisten wie Ernst von Glasersfeld. Für Solipsisten ist die mentale Welt – also ihre eigene Vorstellung – die einzige Welt, die sicher existiert. Alles andere kann eine Täuschung sein, ein Traum, nur die eigene Vorstellung ist sicher.

Wir haben also zwei Extreme

a) Physikalisten: Nur die physikalische Welt e xistiert, die mentale Welt wird völlig durch die physikalische konstruiert.

b) Solipsisten: Nur die mentale Welt existiert, sie täuscht uns die Existenz einer physikalischen Aussenwelt vor.

Interessanter als diese beiden Extreme sind die Meinungen dazwischen. Roger Penrose z.B. plädiert mit seiner Drei-Welten-Theorie dafür, keine der drei Welten als nicht-existierend auszuschliessen. Es geht ihm vielmehr darum, die Beziehungen der drei Welten zu klären.

Koexistenz

Dies ist auch meine Haltung: Obwohl es plausibel erscheint, die mentalen Empfindungen und Vorgänge als reine Auswirkungen der physikalsichen Welt zu sehen, erscheint es mir sinnvoll, die mentale Welt als eigene Welt anzusehen. Nicht weil sie nicht aus der physikalischen emaniert sein könnte, sondern weil sie auf diese Weise besser beschrieben werden kann. Um auf das Beispiel der Farben zurückzukommen: Es ist für das menschliche Verhalten irrelevant, ob grün mit seiner korrekten eigenen Wellenlänge oder mit einer Kombination von gelben und blauen Wellenlängen erzeugt wird, ich sehe immer die gleiche Farbe und verhalte mich auch entsprechend. Die Beschreibung des menschlichen Denkens, Empfindens und Verhaltens wird einfacher und gleichzeitig präziser, wenn wir die Vorgänge in der mentalen Welt direkt angehen. Dies ist möglich, aber nur von innen, wenn ich mir die Gedanken, Farben etc. der mentalen Welt selber vorstelle.

Auch eine Kommunikation über mentale Gegenstände (Gedanken, Farben etc.) ist möglich, setzt aber ebenfalls eine subjektiven Erfahrungsgrundlage voraus, diesmal eine, welche die Kommunikationsteilnehmer auf ähnliche Weise erlebt haben.


Wo spielt die mentale Welt eine Rolle?

Überall, wo es im innere Wahrnehmungen und Vorgänge geht, sind wir in der mentalen Welt.

Folgende Gebiete lassen sich kaum beschreiben, ohne die Existenz der mentalen Welt zu akzeptieren:

  • Psychologie
  • Kultur
  • Werte, Moral
  • Politik
  • Kunst

Die mentale Welt ist somit nicht ganz irrelevant.

Semantik

In meinem eigenen Gebiet, der Semantik, ist eine klare Trennlinie zwischen der objektiven und der subjektiven Welt erkennbar. Während Wörter und Sätze Teil der objektiven Welt sind, sind die Begriffe, also die Bedeutungen der Wörter, und die Gedanken, die mit den Sätzen ausgedrückt werden, Teil der subjektiven, d.h. der mentalen Welt.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie.

Was ist Resonanz?


Die physikalische Basis der Resonanz

Resonanz basiert auf den Eigenschwingungen von physikalischen Medien und ihrer gegenseitigen Koppelung.


Koppelung der Eigenschwingungen von physikalischen Objekten

Die Eigenschwingungen sind stehende Wellen, deren Frequenz von den Eigenschaften des physikalischen Mediums (Grösse, Form, Material, etc. ) bestimmt wird.

Zwei solche Medien können über ihre Eigenschwingung in eine  Resonanz treten. Die Resonanz entsteht durch eine Koppelung der beiden Eigenschwingungen, sodass die beiden physikalischen Medien in ihrem Schwingungsverhalten eine gekoppelte Einheit bilden.

Die Koppelung erfolgt über einen physikalischen Energieaustausch, sei es direkt oder indirekt, z.B. über die Luft. Bedingung für das Entstehen der Koppelung ist, dass die Frequenzen der Eigenschwingungen der beiden beteiligten physikalischen Medien in einem dafür geeigneten mathematischen Verhältnis stehen.

Stabilität der Resonanz über die Zeit

Sobald der Resonanzzustand eingetreten ist, bleibt er eine gewisse Zeitspanne stabil, d.h. der gekoppelte Schwingungszustand bleibt stationär, oft über eine längere Zeit. Dieses erstaunliche Verhalten hat mit den Energieverhältnissen zu tun, die bei der Koppelung besonders energiegünstig sind.


Resonante Eigenschwingungen

Auch die Eigenschwingung eines einzelnen physikalischen Objekts kann als Resonanz bezeichnet werden. So weist z.B. ein Elektron um den Atomkern eine Resonanz mit sich selber auf und kann dadurch nur ganz bestimmte Umlauffrequenzen annehmen, die es ihm erlauben, auf seiner Umlaufbahn mit sich selber resonant zu sein. Das Gleiche gilt für das Schwingungsverhalten einer Saite.


Resonanz als Abstraktion

Das physikalische Material bestimmt zwar die Eigenfrequenz der beteiligten schwingenden Medien, doch der Rest, d.h. das Entstehen der gekoppelten Resonanz, ergibt sich aus dem geeigneten Verhältnis der beiden Frequenzen. Dieses Frequenzverhältnis folgt mathematischen Regeln. Eine verblüffend einfache Mathematik reicht aus, zu erkennen, wie stark die Resonanz zwischen den beiden schwingenden physikalischen Medien sein wird.


Drei Welten, nach Roger Penrose

Die Entstehung der Resonanz zeigt eindrücklich das Zusammenspiel von zwei der drei Welten, die gemäss Nobelpreisträger Roger Penrose unsere Realität bilden, nämlich der physikalischen und der platonischen. Letzerer Begriff bezeichnet die abstrakte Welt der Ideen, zu der die Mathematik gehört. Mit der Verwendung des Begriffs ‹platonisch› für die Welt der Mathematik verweist Sir Roger auf die europäische Kulturgeschichte, hier gehört die Diskussion um die Wirklichkeit und Wirksamkeit von Ideen nicht nur zur Philosophie von Platon, sondern bestimmte auch im Mittelalter als Universaliendisput grosse Teile des philosophischen Diskurses. Die Frage hat seither nichts an Relevanz verloren: Wie real sind Ideen? Warum setzt sich Abstraktes in der materiellen Welt durch? Wie ist das Verhältnis von abstrakter Idee und konkreter, d.h. physikalischer Welt?

Ich dachte vor gut einem Jahr, dass das Entstehen der Resonanz in der Musik ein gutes Beispiel wäre, um das Verhältnis von Physik, Mathematik und der dritten Welt, unserem subjektiven Empfinden zu erkunden. Ich war überrascht, wie verblüffend klar der Bezug der drei Welten hier dargestellt werden kann und wie verblüffend einfach, logisch und weitreichend die Mathematik in den Harmonien unserer Musik ist.


Resonanz in der Musik

In einem Musikstück ändern die entstehenden Resonanzen zwischen den Tönen immer wieder und bieten so einen faszinierenden Farbwechsel. Wir können ihn intuitiv erleben, aber auch rational erklären, eben als ein Spiel der Resonanzen unter den Tönen.

Nur die Obertonreihe?

In der Schule habe ich gelernt, dass die Obertonreihe unsere Tonleitern bestimmt. Doch das ist eine grobe Vereinfachung. Das Phänomen der Resonanz kann unsere Tonleitern viel einfacher und direkter erklären als es die Obertonreihe kann. Die Obertonreihe beschreibt das Schwingungsverhalten nämlich nur innerhalb eines physikalischen Medium – die in der Musik interessierende Resonanz entsteht jedoch immer zwischen mindestens zwei verschiedenen Medien (Tönen). Für die Resonanzüberlegungen von zwei Tönen müssen wir konsequenterweise auch zwei Obertonreihen vergleichen. Erst das Nebeneinanderlegen der beiden Reihen erklärt das Geschehen – ein Fakt, der in den Lehrbüchern meist übergangen wird.

Akkorde bestehen aus drei oder mehr Tönen. Auch hier kann die Resonanzanalyse der drei oder mehr beteiligten Töne die Akkordwirkung verblüffend einfach erklären. Nur müssen diesmal nicht die Frequenzen von zwei, sondern von mehreren Tönen gleichzeitig berücksichtigt werden.

Reine und temperierte Stimmung

In Europa hat sich im Barock die gleichmässig temperierte Stimmung durchgesetzt, welche die kompositorischen Möglichkeiten vielfältig erweitert. Das erste, was der Laie zur Theorie der Tonleitern findet, ist deshalb eine genaue Beschreibung der Abweichungen der temperierten von der reinen Stimmung – doch diese Abweichungen sind für die Entstehung von Resonanzen nur von marginaler Bedeutung. Die reine Stimmung ist keine Bedingung für Resonanz, die hier vorgestellte Mathematik der Resonanz erklärt das Phänomen präzis auch bei temperierter Stimmung.


Dies ist ein Beitrag zur Drei-Welten-Theorie nach Penrose und der Herkunft der Tonleitern.

Neuerscheinung: «Wie die Künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt»

Das Buch zur Intelligenz in der Künstlichen Intelligenz ist wie geplant diese Woche gedruckt worden und ab sofort lieferbar.

Es erklärt verständlich, was jedermann über KI wissen sollte: Was sie kann und was nicht. Was für Formen es gibt und wie sie sich unterscheiden. Und nicht zuletzt: Wie die Intelligenz wirklich in die KI-Anwendungen kommt.

Titel «Wie die Künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt»
Autor: Hans Rudolf Straub
Verlag: ZIM-Verlag, St. Gallen
Ausgabe: August 2021
Preis: CHF/Euro 19.-

Weitere Angaben zum Buch finden Sie auf der Internetseite des Verlags.


 

Was bringt die gleichstufige Temperierung?

Die temperierte Stimmung hat sich in der unserer abendländischen Musikkultur durchgesetzt – trotz des offensichtlichen Nachteils, dass ihre Intervalle nicht mehr rein sind. Das war nur möglich, weil gewichtige Vorteile den Makel der Unreinheit wettgemacht haben:

1. Eine einzige Stimmung reicht für alle Tonarten: der Grundton ist frei wählbar.

Im Prinzip muss bei der reinen Stimmung für jede Tonart und jeden Grundton neu gestimmt werden. Bei einem Cembalo sind das einige Saiten und bei einer Orgel ist das wirklich eine grosse Aufgabe in Anbetracht der vielen Register und Pfeifen. Je weiter die Tonarten voneinander entfernt sind – d.h. je mehr Kreuze und B’s Sie haben – umso schlimmer wird die Verstimmung. Das ändert sich bei der gleichstufig temperierten Stimmung. Sie ist zwar nie ganz rein, doch auch nie so verstimmt wie eine entfernte Tonart. Mit der gleichstufigen Temperierung kann ohne Neustimmen sofort in jeder Tonart gespielt werden. Orgeln, Streicher und Bläser, alle Instrumente können jetzt in allen Tonarten miteinander zusammenspielen.

2. Freies Modulieren

Dieser Vorteil ist besonders offensichtlich und wirkungsvoll. Im gleichen Musikstück können wir nun – ganz ohne Pause und Neustimmen – von einer Tonart beliebig in eine beliebige andere wechseln (modulieren). Mit der reinen Stimmung ist das nur ganz begrenzt für eng verwandte Tonarten möglich. Mit der gleichstufigen Temperierung gibt es für das Modulieren jedoch keine Grenzen mehr.

3. «Geschenkte» Tonarten: 

Mit den sieben Töne der Dur-Tonleiter kann nicht nur Dur gespielt werden. Auf den weissen Tasten des Klaviers können Sie alle Kirchentonarten spielen werden, je nachdem welchern der sieben Töne Sie als Grundton wählen:

C: Ionisch = Dur
D: Dorisch
E: Phrygisch
F: Lydisch
G: Mixolydisch
A: Äolisch
H: Lokrisch

Die C-Dur Tonleiter besteht aus einem bestimmten Wechsel von Ganztönen und Halbtönen. Wenn Sie auf einem anderen Ton als C beginnen, erhalten Sie ein anderes Muster der Ganz- und Halbtöne. Mit den gleichen sieben Tönen können Sie somit je nach Ausgangspunkt sieben in ihrem Muster von Ganz- und Halbtönen verschiedene und damit auch in ihrem Charakter sehr unterschiedliche Tonleitern spielen. Das geht aber nur wenn jeder Ganzton und jeder Halbton jeweils immer gleich gross ist – bei der reinen Stimmung ist das wie gezeigt genau nicht der Fall, bei der gleichstufigen Temperierung aber per definitionem so. Deshalb entstehen aus jeder Heptatonik in der gleichstufigen Temperierung automatisch sieben in ihrem Charakter sehr unterschiedliche Heptatoniken.

Das gleiche gilt für die Pentatoniken: Wenn Sie z.B. auf dem Klavier nur die schwarzen Tasten drücken, spielen Sie automatisch pentatonisch (Penta = Fünf → fünf schwarze Tasten). Je nachdem, welchen Ton Sie als Grundton wählen, spielen Sie eine andere Pentatonik, z.B. die Durpentatonik (mit Fis als Grundton) oder die Mollpentatonik (mit Es als Grundton).

Dieses Prinzip gilt nicht nur für die weissen und schwarzen Tasten, sondern auch für weitere Tonleitern, z.B. das «melodisch Moll» im Jazz. Es handelt sich wie bei Dur und den Kirchentonarten um eine Selektion von sieben Tönen, also eine Heptatonik, allerdings in Abständen, die nicht allein mit den weissen Tasten gespielt werden können. Aber auch bei den «melodisch-Moll» Tonleitern können wir mit einer Auswahl von sieben Tönen sieben charakterlich und funktional sehr unterschiedliche Tonleitern spielen, je nachdem, welchen der sieben Töne wir als Grundton wählen.

4. Polytonalität

Dieses Stilmittel entstand im 20. Jahrhundert mit Strawinsky und anderen Komponisten und ist auch im modernen Jazz gebräuchlich. Dabei werden mehrere Tonarten gemischt, in der Praxis sind es meist zwei (=Bitonalität). Das erscheint auf den ersten Blick etwas gewagt, klingt aber unter entsprechender Beachtung der Resonanzen (!) – durchaus eingängig.


Fazit aus Sicht der Drei-Welten-Theorie

Die mathematische Reinheit (platonische Welt) der Intervallresonanzen wird durch die Temperierung verletzt, aber so minimal, dass die resultierenden Schwingungsphänomene (physikalische Welt) sich trotzdem einstellen und das Hörerlebnis (mentale Welt) kaum geschmälert wird.

Andererseits werden aber durch das freie Modulieren die Kombinationsmöglichkeiten der insgesamt immer noch nur zwölf Töne gewaltig erweitert. Diese mathematische Erweiterung (platonische Welt) ist hörbar und spannend (mentale Welt). Durch die minimale Unreinheit gewinnt die Musik an Varianten und Reichtum.


Die ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern.


 

Aktuelle Pressetexte zur Künstlichen Intelligenz

Meine These, dass sogenannte KI-Programme zwar ausserordentlich leistungsfähig sind, doch ihre Intelligenz bestenfalls geborgt haben und zu eigenständigen Denkleistungen aus prinzipiellen Gründen nicht imstande sind, wird zunehmend auch von anderen Seiten unterstützt.


Hier drei Publikationen mit dieser Stossrichtung:

  1. St. Galler Tagblatt, 3. August 2021, Christoph Bopp: «Dr. Frankenstein verwirrte die Künstliche Intelligenz«:
    https://www.tagblatt.ch/leben/ki-uund-medizin-doktor-frankenstein-verwirrte-die-kuenstliche-intelligenz-ld.2169958
    .
  2. The Gradient: 3. August 2021, Valid S. Saba: «Machine Learning Won’t Solve Natual Language Understanding«:
    https://thegradient.pub/machine-learning-wont-solve-the-natural-language-understanding-challenge/
    .
  3. Neue Zürcher Zeitung, 17. August 2021, Adrian Lobe: «Man kann Algorithmen zu Kommunisten erziehen, aber sie können auch zu Rassisten werden, wenn sie in schlechte Gesellschaft geraten»
    https://www.nzz.ch/feuilleton/wie-die-black-box-lernt-bots-kann-man-zu-rassisten-machen-ld.1636315?ga=1&kid=nl165_2021-8-16&mktcid=nled&mktcval=165_2021-
    08-17

Diese Texte zeigen beispielhaft,

  •  wie der Lern-Korpus das Ergebnis der KI bestimmt (NZZ über den chinesischen Chatbot):
    Bei Neuronalen Netzen gilt bekanntlich: «Garbage In, Garbage Out» – der Korpus bestimmt was überhaupt erkennbar ist und was «wahr» ist, die KI kann nur ausgeben, was der Korpus vorgibt.
  • wie komplexe Sachverhalte in einem noch unklaren Kontext für KI-Systeme schlecht durchschaubar sind (Tagblatt über falsche Prognosen in der Covid-Epidemie):
    Bei komplexen Sachverhalten nimmt der Bedarf an Korpusdaten überproportional zu. Die rein technischen Probleme sind dabei noch die kleinsten.
  • wo die wirklichen Herausforderungen für NLP liegen (The Gradient über Natural Language):
    Dieser aktuelle Text aus den USA stellt die gleichen Thesen auf und verwendet gleiche Argumentationslinien wie ich z.B. in meinem Buch von 2001, dass nämlich die Semantik, also die Bedeutung eines Textes im Kopf verstanden werden muss – und genau das kann die KI der Neuronalen Netze eben nicht.

Die KI der Neuronalen Netze bleibt allerdings eine hochpotente, sinnvolle und hilfreiche Technologie – nur müssen wir wissen, was sie kann und was nicht.

Weshalb Resonanz auch bei Unschärfe funktioniert

Wann entsteht Resonanz?

Resonanz zwischen zwei physikalischen Medien hängt vom Frequenzverhältnis ihrer Eigenschwingungen ab. Wenn die beiden Frequenzen einen einfachen Bruch bilden, z.B. 2/1 oder 3/2, kann Resonanz entstehen. In einem früheren Beitrag  habe ich dargestellt, wie die zehn einfachste Frequenzverhältnisse mathematisch zwingend genau zu den zehn Tönen führen, die in unseren Tonleitern vorkommen, seien es Dur, die verschiedene Molltonleitern, Kirchentonarten, Durpentatonik, Mollpentatonik, Bluestonleiter etc..

Reine und temperierte Stimmung

Funktioniert die Resonanz aber auch in der gleichstufig temperierten Stimmung? Im Beitrag zur gleichstufigen Stimmung haben wir gesehen, wie sich die beiden Stimmungen unterscheiden. Abb. 1 zeigt die die reine Stimmung in blau – d.h. die zehn resonantesten Intervalle, plus die beiden Füller Cis und Fis – und darunter die zwölf Intervalle der gleichstufig temperierten Stimmung in rot.

Abb 1: reine (blau) und gleichmässig temperierte Stimmung (rot), bei Grundton C (logarithmischer Darstellung)

Offensichtlich weichen die Frequenzverhältnisse der temperierten Stimmung von derjenigen der reinen Stimmung ab und entsprechen somit nicht mehr den einfachen Frequenzverhältnissen, welche ursprünglich zu unseren reinen Tonleitern geführt haben. Trotzdem funktioniert die unreine Stimmung und wir hören und unterscheiden kleine und grosse Terzen, Quinten und Sexten, obwohl sie gar nicht mehr rein sind. Sind die temperierten, also unreinen Intervalle dabei weiterhin resonant?

Die Antwort ist ein eindeutiges Ja.

Weshalb die unreine Stimmung trotzdem resonant ist

Abb 2. zeigt die Resonanz, abhängig, von der Frequenzrelation und der Dämpfung. Je grösser die Dämpfung ist, umso kleiner ist die Resonanz, ganz unabhängig von den Frequenzverhältnissen.

Interessant aber ist, wie die Frequenzverhältnisse – in Abb. 2 auf der Horizontalen von 0.0 bis 3.0 eingezeichnet – auf die Resonanzentstehung wirken. Am stärksten ist die Resonanz bei 1.0, also dann, wenn die beiden Medien, das anregende und das angeregte, die identische Frequenz haben. Doch auch wenn das Frequenzverhältnis nicht genau 1 ist, entsteht Resonanz. Dies ist der Grund, weshalb wir auch die temperierte Stimmung als resonant erleben.

Abb. 2: Resonanz in Abhängigkeit von der Präzision der Frequenzverhältnisse [Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Resonanz (1.8.2021)] Graphikautor:  https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Geek3]

Die temperierte Stimmung mit ihren nicht ganz genauen Brüchen führt, wie in Abb. 2 ersichtlich ist, trotzdem zu Resonanzen zwischen den Intervallen, wenn auch zu etwas schwächeren. Weil wir praktisch nur Musik hören, die auf der temperierten Stimmung basiert, haben wir uns zudem daran gewöhnt. Reine Stimmung kann nur von Stimmen und Instrumenten erklingen, welche die Tonhöhen beliebig ändern können. Auf Tasteninstrumenten geht das nicht. Reine Streicherensembles oder unbegleitete Sänger aber können rein musizieren, und gute Ensembles tun das auch.

Zusätzliche Effekte der temperierten Stimmung

Der Hauptnutzen der Temperierung liegt in einer gewaltigen Erweiterung der kompositorischen Möglichkeiten.

Es gibt aber weitere zusätzliche Effekte: Die leichte «Verstimmung» der Intervalle führt zu Interferenzen (Schwebungen). Die Resonanz kann dabei ab- und anschwellen. Die Reibung von zwei unreinen gestimmten Töne kann einen dritten entstehen lassen, der sich den beiden anderen überlagert. Solche Effekte können auch bewusst bei der reinen Stimmung gesucht werden, indem der Sänger oder Instrumentalist die Tonhöhe leicht verschiebt und damit einen bewussten musikalischen Effekt erreicht, mit dem er spielen kann.

Auf diese Effekte möchte ich aber nicht weiter eingehen. Auch nicht auf die sehr interessanten Effekte, welche Klavierstimmer beachten müssen, wie z.B. das sogenannte Strecken über den GesamttonverlaufDas Stimmen z.B. eines Klaviers ist muss nämlich mehrere Ziele gleichzeitig beachten. Auch dabei wirken die die drei Welten gleichzeitig: Die Mathematik der reinen Zahlen, die Physik der realen Klaviersaiten und unser subjektiver Eindruck.

Aus zwei Gründen führe ich diese Überlegungen hier aber nicht weiter. Erstens sind die genannten akustischen Phänomene sehr gut beschreiben und zweitens von Fachleuten, die sich darauf spezialisiert haben und wesentlich mehr darüber wissen als ein Informatiker und Amateurmusiker wie ich. Für mich ist die gleichstufige Temperierung einfach eine geniale und praktische Erfindung, die ich sehr gerne akzeptiere, weil sie die harmonischen Möglichkeiten der Musik deutlich erweitert.

Ich setze deshalb diese Serie mit den Erweiterungen der kompositorischen Möglichkeiten fort, die sich durch die gleichstufige Temperierung ergeben


Die ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern.


 


Wie die künstliche Intelligenz zur Intelligenz kommt

Haben Sie sich schon gefragt, woher die Intelligenz in der künstlichen Intelligenz stammt? Die Künstliche Intelligenz, etwa in Suchmaschinen oder Programmen zur Gesichtserkennung ist ja nichts anderes als ein Computerprogramm, das vorgängig mit Daten gefüttert worden ist. Ein raffiniertes und komplexes Programm zwar, aber letztlich nichts als ein Automat, eine Maschine. Und diese Maschine verhält sich intelligent. Wie kann das sein?

Nun, darauf gibt es durchaus eine Antwort. Ich habe basierend auf meiner Berufspraxis im Bereich des NLP (Natural Language Processings) und der automatisierten Zuweisung von medizinischen Codes (ICD, CHOP, OPS, SNOMED) zu Freitexten eine Serie von Blogbeiträgen auf dieser Website publiziert, die jetzt auf Anregung meines Verlegers W. Fischer als kleines Büchlein erscheinen werden.

Die Beiträge stellen verschiedene Formen von KI vor und erklären kurz ihre prinzipiellen Wirkweisen. Für jede vorgestellte KI-Form wird gezeigt, an welcher Stelle und wie die benötigte Intelligenz zum Programm hinzu kommt. Selbstverständlich unterscheiden sich Taschenrechner, Suchmaschinen, regelbasierte NLP-Systeme und Deep Learning  Systeme (Schach, Go) hier deutlich.

Was aber sind die Konsequenzen dieser Programme und ihres Einsatzes? Was können sie und was bewirken sie? Und was ist der Unterschied zur menschlichen, also zur biologischen Intelligenz?

Das Büchlein wird diesen Sommer im ZIM-Verlag erscheinen.

Die gleichstufige Temperierung

Ausgangswunsch: Wechsel des Grundtons während eines Musikstücks

Im Vorbeitrag haben wir gesehen, dass eine reine Stimmung beim Wechsel des Grundtons nicht mehr rein ist, da sich gewisse Intervalle verändern. Je entfernter die Tonart ist, umso mehr Töne stimmen nicht mehr mit den errechneten, d.h. resonanten Tonhöhen überein..

Wenn nun die die Frequenzen der Tonleitertöne ganz leicht verschoben – d.h. temperiert – werden, dann kann auch in benachbarte Tonarten gewechselt, d.h. moduliert werden. Bei der gleichstufig temperierten Stimmung sind sogar Wechsel zu jedem beliebigen Grundton möglich und diese Stimmung hat sich seit dem Barock in Europa  erfolgreich durchgesetzt.

Wie die gleichstufige Temperierung funktioniert

In Abb. 1 sehen sie die resonanten, d.h. reinen Intervalle zwischen einem Grundton und seiner Oktave.

Abb. 1: Resonante Intervalle über dem Grundton C in logarithmischer Darstellung

In der obenstehenden Abbildung habe ich mit Cis und Fis auch die indirekt resonanten Töne aufgenommen und somit die Lücken im Band der zehn meistresonanten Intervalle geschlossen. In Abbildung 1 fällt auf, dass die zwölf Töne zwar nicht regelmässig, doch annähernd gleichmässig über die Oktave verteilt sind. Könnte man das musikalisch ausnützen?

Abb. 2: Reine (blau) und gleichstufige (rot) Verteilung der 12 Tonleitertöne 

Abbildung 2 zeigt den Vergleich einer natürlichen, d.h. reinen Verteilung der Tonleitertöne mit einer völlig gleichmässigen. Wie Sie sehen, sind die Abstände zwar sichtbar, doch auch nicht allzu gross. Die unregelmässigen, reinen Töne werden leicht verschoben und wir erhalten so eine völlig gleichmässige Verteilung der Töne. Diese leicht verschobene, aber dafür regelmässige Stimmung wird gleichstufig temperierte Stimmung genannt.

Weil die Abstände der zwölf Töne exakt gleich sind, ist es egal, auf welchem Grundton wir die Tonleitern aufbauen:

C-Dur:  C – D – E – F – G – A – H – C

Es-Dur: Es – F – G – As – B – C – D – Es

Die relativen Abstände zwischen den einzelnen Tönen sind – wie Sie leicht überprüfen können – bei den temperierten Frequenzen nun genau gleich, egal ob in C-Dur, Es-Dur oder irgend einer anderen Tonart.

Die gleichstufig temperierte Stimmung ist eine radikale Lösung und als solche der Endpunkt einer historischen Entwicklung über mehrere Zwischenlösungen (Werckmeister-Stimmung u.v.a.). Diese historische Entwicklung und die Details der praktischen Ausführung sind im Internet und in der Literatur ausführlich dokumentier und für Interessierte leicht auffindbar. Was uns hier interessiert sind hingegen zwei ganz andere Fragen:

  1. Weshalb funktioniert die Temperierung, obwohl wir dann für die Resonanzen keine genauen Brüche mehr vorfinden?
  2. Was sind die kompositorischen Konsequenzen?

Mehr dazu in den folgenden Beiträgen


Die ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern.


Wie die temperierte Stimmung entstand

Tonleitern vor der Temperierung

Natürliche Tonleitern

Die Tonleitern der menschlichen Kulturen haben sich über die Jahrtausende auf natürliche Weise, d.h. ganz ohne bewusste mathematische Überlegungen entwickelt. Dass trotzdem sehr viel Mathematik dahinter steckt, hat mit den Resonanzen der Tonleitertöne zum Grundton zu tun. Diese Resonanzen sind für uns attraktiv und Musik, die auf solchen Resonanzen beruht, hat die Fähigkeit, menschliche Gemeinschaften zusammen zu bringen.

Mathematisch kann die Resonanz auf Brüche mit möglichst kleinen ganzen Zahlen zurückgeführt werden und wir konnten rechnerisch ableiten, welche neun Intervalle die deutlichsten Resonanzen aufweisen müssen. Nicht zufällig bestehen alle global verbreiteten Tonleitern – d.h. die Standardpentatoniken, unser Dur und unser Moll, die Kirchentonarten und viele mehr – ausschliesslich aus einer Auswahl von fünf, bzw. sieben aus diesen neun Tönen.

Der Grundton und die Spannung

Ebenfalls in allen Kulturen beobachtbar und für uns gar nicht anders vorstellbar ist die Tatsache, dass alle Tonleitern eine klar definierte Basis, d.h. einen Grundton haben, auf den sich die anderen Töne immer beziehen. Dies ist der Grundton, zu dem jeder Tonleiterton seine Resonanz aufbaut, je stärker sie ist, umso ruhiger wirkt der Ton neben dem Grundton, aber auch innerhalb der Melodie. Andererseits, je höher die Zahlen in den Brüchen, d.h. je schlechter die Resonanz zum Grundton ist, umso schärfer und gespannter erscheint uns der Melodieton. Der schärfste Ton in der Dur-Tonleiter ist die grosse Sept (z.B. H in C-Dur), die einen Halbton unter Oktave liegt. Dieser Ton trägt die stärkste Spannung von allen Tönen in der Durtonleiter, er verlangt nach seiner Auflösung auf die Oktave und führt so die Melodie von Spannung zu Entspannung. Diese Spannung ist nur möglich, weil der Grundton hör- oder unhörbar mitschwingt und die Resonanz zu ihm gespannt ist.

Dies alles aber hat noch nichts mit der Temperierung zu tun und funktioniert in reinem Dur.

Weshalb wurden die Tonleitern temperiert?

Zwei Masstäbe: linear und exponentiell

Temperierung bedeutet, dass die Frequenz der Tonleitertöne leicht verändert, vermindert oder erhöht – d.h. temperiert – wird. Dabei werden die Resonanzen auf den ersten Blick leicht abgeschwächt, trotzdem hat sich in der europäischen Musikkultur die Temperierung als selbstverständlich durchgesetzt.

Um die Temperierung zu verstehen, ist es hilfreich zu erkennen, dass wir Intervalle mit zwei verschiedenen Masstäben messen: ein Masstab ist linear, der andere verhält sich exponentiell. Eine genaue Erklärung der Gründe und Konsequenzen der zwei Masstäbe finden sie hier. Vereinfacht gesagt geht es darum, dass alle Intervalle relativ sind. Wenn ich also eine Tonleiter von C aus aufbaue, sind die Tonleitertöne auf dieses C ausgerichtet, wenn ich einen anderen Grundton wähle, z.B. das D, dann ist das E von C ein anderes als das E von D.

Beispiel für diese Relativität der Masstäbe

In C-Dur ist der Ton E eine grosse Terz über dem Grundton C, die Frequenz des E beträgt 5/4 des Grundtons C. Ein Ton D ist eine grosse Sekunde über dem C und hat somit 9/8 der Frequenz des C. Wenn wir nun dieses D (=9/8) zum Grundton wählen, dann kommt in D-Dur ebenfalls E vor, aber diesmal als grosse Sekunde. Der entscheidende Punkt ist, dass dieses E nicht genau gleich hoch ist wie das E vorher von C-Dur:

Tonalität / Tonart Frequenz bezüglich Tonleitergrundton Frequenz bezüglich
C-Dur
Funktion des Tons in C-Dur, bzw. D-Dur
C-Dur C = 1 1 Grundton
D = 9/8 9/8 grosse Sekunde
E = 5/4 5/4 grosse Terz
D-Dur D = 1 9/8 Grundton
E = 9/8 9/8 x 9/8 = 81/64 grosse Sekunde

Tabelle 1: Relativität der Frequenzen bezüglich Grundton

In Tabelle 1 sehen Sie, dass das scheinbar gleiche E in den beiden Tonleitern verschiedene Tonhöhen hat:

E in C-Dur = 5/4        = 1.25
E in D-Dur = 81/64 = 1.266

Wenn ich eine Saite auf das E für C-Dur stimme, dann stimmt die Saite nicht ganz mit dem erwarteten E in D-Dur überein. Der Unterschied ist nicht gross, doch messbar und für feine Ohren durchaus hörbar.

Die reine Stimmung funktioniert nur für einen definierten Grundton. 

Sobald der Grundton wechselt, sind alle Tonleitertöne relativ zum neuen Grundton in Resonanz und die Tonhöhen der früheren Tonart stimmen nicht mehr alle ganz. Grund dafür sind wie dargestellt die doppelten Masstäbe für Intervalle, einmal linear (Hörempfindung) und einmal exponentiell (physikalische Frequenzen).

Die drei Welten

Wieder geht es um die drei Welten nach Penrose: Die Hörempfindung findet in der mentalen Welt statt, die Frequenzen sind Teil der physikalischen Welt und die ideale Welt ist diejenige der Mathematik der ganzzahligen Brüche. Alle drei Welten spielen bei der Musik auf höchst interessante Weise zusammen.

Ziel der Temperierung

Bei der Temperierung geht es nun darum, dass der Grundton frei gewechselt werden kann, ohne dass die von früher bekannten resonanten Tonleitern aufgegeben werden müssen. Es handelt sich um einen genial gewählten Kompromiss, der wirklich beide Ziele vereinen kann.

Historische Entwicklung

Die Faszination für resonante Akustik ist typisch für alle menschliche Kulturen. So entstanden die hochresonanten Tonleitern, die Standardpentatoniken und die Durtonleiter, verschiedene Molltonleitern und die in den gregorianischen Chorälen häufig verwendete dorische Tonleiter. Die Musik, die früher mit diesen Tonleitern gespielt wurde, hatte immer eine konstante Tonalität, d.h. einen Grundton, der nicht geändert wird, solange die Melodie erklingt.  Alle Töne der Melodie vergleichen sich mit dem Grundton und die Tatsache, wie stark der Melodie mit dem Grundton in Resonanz steht, zeigt die Spannung an, welche die Melodie beim jeweiligen Ton hat.

Mehrstimmige Instrumente aus früheren Kulturepochen haben zur Unterstützung der Grundtöne oft zusätzliche Saiten (Bordunsaiten) oder Pfeifen (Dudelsack), deren Tonhöhe nicht verändert werden kann, damit genau diese Spannung des Melodietons zum Grundton hervorgehoben wird. Während die Töne der Melodie variieren, erklingt der Grundton (Bordunton) durch das ganze Stück durch und gibt einen soliden Boden.

In Europa jedoch setzten sich in der Renaissance gewisse Neuerungen durch. So begann man den Grundton während des Stücks zu wechseln. Das erlaubt eine grössere Vielfalt in der Musik. Solange die Tonarten miteinander verwandt waren, entstanden nur geringe Frequenzabweichungen, bei wirklich eng verwandten Tonarten betrafen sie auch nur einen Ton. Je weiter die Tonarten aber voneinander entfernt waren, umso schwieriger wurde es. So klang es z.B. sehr unschön, wenn versucht wurde auf einer Orgel, die in C gestimmt war, in Fis-Dur zu spielen. Nun begann in Europa eine Periode der verschiedensten Versuche mit leicht veränderten (=temperierten) Stimmungen, welche die Unvereinbarkeit der Grundtonverschiebung mit der Reinheit der Intervalle in verschiedenen Kompromissen zu überbrücken versuchten. Letztlich durchgesetzt hat sich im Spätbarock die gleichstufige (gleichschwebende) Temperierung, die einen wirklich überzeugenden Kompromiss darstellt und die reiche Entwicklung der Harmonik in Klassik und modernen Jazz erst möglich gemacht hat.

Mehr dazu im nächsten Beitrag


Die ist ein Beitrag zur Entstehung der Tonleitern.